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Ein Ausflug nach wohin eigentlich keiner will - Zu Besuch in Afghanistan

Ein Ausflug nach wohin eigentlich keiner will - Zu Besuch in Afghanistan

Titel: Ein Ausflug nach wohin eigentlich keiner will - Zu Besuch in Afghanistan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Krömer
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oder nicht. Jemand schreit die Frage: Kann man mit so einer Scheiße Geld verdienen? auf die Bühne. So ein Idiot, denke ich mir. Doch nach zähen fünfundvierzig Minuten bricht allmählich das Eis. Mit dieser Scheiße verdient man im heutigen Fall überhaupt kein Geld, weil ich für umsonst hier bin , erwidere ich.
    Nach jahrelanger Tingelei auf Straßenfesten, in Bierzelten und Hinterhofkneipen habe ich mir über die Jahre ein dickes Fell angeeignet, sodass mir diese Wer-hat-die-dicksten-Eier-Spiele nichts mehr ausmachen. Aber die Frage Was mache ich hier eigentlich? spukt mir tatsächlich andauernd durch den Kopf.
    Der Auftritt ist vorbei. Die Soldaten wollen auf einmal Zugaben. Ich bin perplex.
    Ich stelle mich an die Bar und schreibe Autogramme und lasse Fotos mit mir machen. Die Soldaten haben ihre Berührungsängste mir gegenüber anscheinend abgelegt. Ich habe das Gefühl, dass ich so manchen schon das zweite Mal beim zweiten Bier sehe, ich kann mich aber auch täuschen. Ich wüsste nicht, was ich täte, wenn ich länger hierbleiben müsste.
    Peter Kümmel
Es ist ein Auftritt unter freiem Himmel, 150 Männer auf Bierbänken, Wüstensand weht durchs Scheinwerferlicht, und Krömer kämpft. Die ersten Pointen verpuffen, mehrere Minuten lang reagieren die Männer kaum. Später sagt Krömer, er habe sich wie in seiner Anfangszeit gefühlt, als die Leute an seine Komik nicht gewöhnt waren. So ist das nun auch hier: vielleicht 25 Prozent der Männer heute Abend, schätzt Krömer, kennen ihn überhaupt.
Als ein Soldat in der zweiten Reihe ihm zuruft, »mit der Scheiße verdienst du also dein Geld?«, hat Alexander Bojcan Mühe, die Rolle zu wahren: Man merkt für einen Augenblick echte Empörung in der Stimme des aus dramaturgischen Gründen immerzu beleidigten Krömer. Denn er verdient an dieser Reise gar nichts, und das sagt er, so beherrscht wie möglich, dem Soldaten. Der laute Soldat kommt zwecks Verbrüderung nach dem Auftritt zu Krömer: Es sei ein Superauftritt gewesen. Viele steigen am Ende zu ihm auf die Bühne, verwickeln ihn ins Gespräch, denn der Redebedarf ist groß. Gruppenfotos werden geknipst. Krömer macht alles mit, er ist privat ein ziemlich anderer Mann als auf der Bühne: verhalten, abwartend, gar nicht dröhnend.
Jetzt wirkt er entspannt. Aber auf der Bühne war es zuvor anstrengend gewesen. Die Frauen haben gefehlt im Publikum. »Die geben vor, wann gelacht wird und was lustig ist«, sagt Krömer hinterher, »erst lacht die Frau, dann guckt ihr Mann rüber und sieht: sie lacht, dann lach ich mal lieber auch – diese Zündung gibt es hier nicht.«

    Während Peter Kümmel mit mir ein Interview führt, das mir sogar Spaß macht, betritt eine Horde Nachzügler den Biergarten. Unter anderem erkenne ich die schöne Ärztin von heute Mittag. Das ist also die berühmte Gegenveranstaltung, die gerade zu Ende gegangen ist und sich nun auf den Weg in die Wolfshöhle gemacht hat. Man erkennt sofort, wer der Chef ist. In der Gegenwart von Chefs verhalten sich alle Menschen gleich. Sie scharwenzeln dann immer irgendwie hinter dem König her. Der Herr Oberst hat auch unter seiner Kopfbedeckung die Haare schön. Aufgrund seines Alters tippe ich auf Pomade. Während der Herr Oberst sich bei mir entschuldigt, dass er leider nicht zum Auftritt kommen konnte, machen ein paar seiner Leute Faxen hinter seinem Rücken. Ich muss lachen. Das erste Mal auf dieser Reise geht mir dieser ganze Militär-Wer-hat-mehr-zu-sagen-Quatsch gehörig auf den Zeiger.
    Wir halten noch einen kleinen Small Talk, dann wende ich mich der schönen Ärztin zu.
    Peter Kümmel
Am nächsten Tag fahren wir zurück zum Flughafen Kabul. Im Militärterminal ruft eine melodische amerikanische Frauenstimme die Flüge auf, als befände man sich auf einem Provinzflughafen im Mittleren Westen: Der Flug nach Kandahar ist nun zum Einsteigen bereit, bitte begeben Sie sich zum Ausgang … – und es erheben sich: Männer in Kampfanzug, mit Gewehr, Sturzhelm, schwerem Kriegsgepäck, aber sie gehen betont lässig, als flögen sie für ein paar Tage nach Kalifornien. Wir aber fliegen wieder über den Hindukusch, nach Mazar-e Sharif. Den Sturzflug zur Landung nehmen wir inzwischen hin wie Kenner, wir lehnen uns dem Abgrund entgegen.
In Mazar-e Sharif, genannt »Mazza«, befindet sich Camp Marmal, das nördliche Tor nach Afghanistan. Das Lager wirkt wie ein riesiger, in der Wüste versunkener Containerhafen. Man sieht Tausende Panzer, Transporter,

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