Ein Ausflug nach wohin eigentlich keiner will - Zu Besuch in Afghanistan
nicht, ob wir wollen. Wir sollen zu einem Treffen. Ein Stabsfeldwebel feiert seinen vierzigsten Geburtstag und seinen tausendsten Tag in Afghanistan. Und man hat uns gefragt, ob wir kommen würden, weil er Krömer-Fan sei und wegen seiner Party nicht zum Auftritt kommen konnte. Und wir sagten zu.
Bis auf Peter. Der steht unter einer Art Bewachung, weil er vorhin, als er sich verlaufen hat, aus Versehen versucht hat, aus dem Camp rauszukommen. Das ist schon irgendwie cool. Aus Versehen aus einer Kaserne laufen. Man hat ihn aber an der Wache abgefangen und unsere Presseleute verständigt. Fregattenkapitän Roland hat uns daraufhin ermahnt, doch bitte keinen ähnlichen Scheiß zu machen.
Vielleicht hat man uns deswegen gefragt, ob man uns einen Bus schicken soll, der uns vom Marktplatz abholt und zum Treffen bringt, obwohl der Weg bis dorthin nur ein paar hundert Meter beträgt. Das ganze Camp ist, wenn ich richtig zugehört habe, zweitausend Meter lang und tausend Meter breit. Wir fahren ungefähr dreißig km/h und haben also schon eine Strecke von circa einem halben Kilometer zurückgelegt.
Ich lehne mich zurück und schaue auf die Lichter. Warum sollte man sich Sorgen machen? Unser Fahrer ist ja unterrichtet worden und weiß schon, was er macht. Also schön ruhig bleiben.
Wo fährt der denn hin?, fragt Tankred.
Keine Ahnung! Aber auf jeden Fall in die falsche Richtung, bemerkt Kleo.
Mach mal was, sagen beide zu Pino. Der fackelt nicht lange.
Esta direccion! Derecha! Derecha!
Nous y allons!
Hello Sir. We want to go there!
Da lang, Mister! Da lang!
Der Fahrer würdigt uns wieder keines Blickes. Im Endeffekt hat er ja auch nichts Neues gehört. Das, was er jetzt nicht verstanden hat, hatte er vorher ja auch nicht verstanden. Oder verstehen wollen. Mir kommt ein Gedanke.
Passt auf! Der Fahrer ist gar kein Afghane, sondern ein ganz gemeines Aas, ein Berliner Taxifahrer, der nach Mazar-e Sharif gezogen ist und jetzt hier als Busfahrer arbeitet. Der hinterfotzige Sack versteht jedes Wort.
Ich habe das extra laut gesagt, aber er reagiert nicht. Entweder ist er ein toller Schauspieler oder versteht wirklich nichts. Oder er ist ein Terrorist. Terrorist? Wieso sollte der Mann ein Terrorist sein? Hier mitten im Camp. Tankred ist ganz aufgeregt.
Das ist in letzter Zeit doch schon öfter vorgekommen, dass sich Attentäter in die Camps geschlichen haben, sagt Tankred.
Ja genau, sage ich. Und die kommen dann und entfüh ren den großen Kurt Krömer und erpressen damit Lösegeld bei Angela Merkel. Und die sagt dann, ich zahle Ihnen das Doppelte, wenn Sie ihn für immer in Afghanistan behalten.
Was ist das hier eigentlich für ein Bus?, frage ich Tankred.
Ich glaube, ein Linienbus.
Ein Linienbus?, echoe ich. Im Camp? Wozu?
Um die Soldaten zu fahren.
Aber die haben doch Autos!
Vielleicht nicht alle!
Er fährt schneller. Merkt ihr das? Er fährt schneller!, sage ich.
Ich bin jetzt kein Speed-Fanatiker, aber ich meine, dass wir gleich die magische Vierzig-km/h-Grenze passieren.
Da hinten ist das Tor vom Camp!, bemerkt Tankred.
Ja. Sehe ich auch. Er fährt aufs Tor zu!
Im Ernst?, fragt Tankred ängstlich.
Was soll er sonst machen?, erwidere ich. Die Straße führt nur geradeaus. Rechts und links sind Gräben. Soll er da rein?
Was machen wir, wenn er mit uns durchs Tor fährt?, fragt Tankred.
Ich schaue auf die Tür. Geht die Tür auf? Wie geht die Tür auf?, frage ich, mittlerweile leicht panisch. Der Bus hat gar keine Tür, bemerke ich.
Können wir abspringen?, fragt Tankred.
Sollen wir?
Bevor er uns kidnappt!
Er wird noch schneller!, merke ich.
Guckt mal, wie er guckt!, mischt sich jetzt auch Kleo ein.
Ich springe jetzt!, sagt Tankred.
Rechts und links liegen Baracken, aber es gibt keine Einfahrten. Der Bus fährt mit ungefähr Tempo 40 geradeaus in Richtung Kasernentor. Das Tor kommt näher, und meine Reisebegleiter stammeln immer noch durcheinander.
An der Wache müssen wir schreien, damit die uns bemerken!, sagt Pino.
Die bemerken das doch, wenn er durch den Schlagbaum fährt!, sage ich.
Meint ihr, die schießen?, fragt Tankred.
Das Tor kommt noch näher. Kurz vorher lenkt unser Fahrer ein und biegt nach links, eigentlich folgt er der Straße. Wir beruhigen uns langsam.
Etwa eine halbe Stunde später lässt er uns dort raus, wo wir eingestiegen sind. Wir gehen zu Fuß zu unserem Treffen. Dort fragt man uns, warum wir nicht mit dem Bus gekommen sind, den man uns geschickt hat. Wir erzählen
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