Ein Ausflug nach wohin eigentlich keiner will - Zu Besuch in Afghanistan
unsere Geschichte und werden ausgelacht.
Man hatte uns einen VW-Bus geschickt. Der uralte Omnibus dagegen wäre dazu da, die Locals zu ihren Arbeitsplätzen zu fahren. Der fährt immer im Kreis im Camp herum und darf nur in eine Richtung fahren. Der Fahrer hätte uns wohl aus Freundlichkeit mitgenommen. Man könne sich aber vorstellen, dass er uns komisch fand – so wie wir rumgezetert haben –, und deswegen hat er uns einfach wieder zurückgebracht.
Heute haben wir viel über Vorurteile und deren Abbau gelernt, denke ich mir und mache mich mit den anderen auf den Weg zur Party.
Bei der Party des Stabsfeldwebels angekommen, treffen wir auf eine illustre Runde. Es ist der letzte Abend, denke ich und beschließe, die erlaubten zwei Bier zu trinken – fünfmal hintereinander. Die Soldaten haben mir in den verbleibenden drei Stunden selbstverständlich nur zugeguckt, denn alles andere wäre ja verboten gewesen.
Peter Kümmel
Nach seiner letzten Show wird Krömer zu einem nächtlichen Geburtstagsfest eingeladen; Ort der Party ist die Cargo-Abteilung direkt am Flughafen. Soldaten haben sich hier mit Bierbänken, einem Grill und einem kleinen Fußballfeld ein winziges Feriencamp geschaffen: als siedele man an einem Strand, nicht an einem Rollfeld. Ein wenig weiter westlich, am Ende der Piste, starten die Kampfhubschrauber der Amerikaner, hierher kehren sie nach missglückten »Missionen« zurück, und bisweilen laden sie Leichensäcke aus. Es ist drei Uhr nachts, ein Frachtflugzeug aus Aserbaidschan rollt zu seiner Parkposition und bläst im Beidrehen einen heißen Sandsturm ins Lager (…)
Nach dem Frühstück passieren wir ein Schwarzes Brett am Ausgang; dort hängt jeden Tag ein neuer Zettel mit den jüngsten »Vorkommnissen«: 20 tote Zivilisten bei einem Selbstmordanschlag am gestrigen Dienstag, 18 tote Zivilisten bei einem irrtümlichen Luftschlag der Amerikaner. Die wenigsten Soldaten, die hinausgehen, werfen einen Blick auf den Zettel. Krömer steht da und liest, er liest gründlich, dann geht er weiter, es steht noch ein kurzes privates Gespräch mit dem deutschen Generalmajor Erich Pfeffer an, der Krömers Komik offenbar mag.
Die Heimreise
Mächtig verkatert und den Spott über mein Aussehen überhörend, mache ich mich auf den Weg zum Flieger. Es ist vorbei, ich darf nach Hause gehen. Morgen werden keine Soldaten mehr um mich herum sein. Ich muss nicht mehr um Erlaubnis bitten, irgendwohin gehen zu dürfen. Morgen bin ich wieder frei. Ich freue mich.
Während des Fluges nach Deutschland rede ich lange mit Peter, auch über den Artikel, den er für das Magazin der ZEIT schreiben will. Die ganze Zeit über haben wir dieses Interview, glaube ich, vor uns hergeschoben. Keine Ahnung, vielleicht ist das nur meine Wahrnehmung gewesen. Vielleicht gehört das bei Peter aber auch zu seiner journalistischen Dramaturgie.
Mir ist unwohl bei dem Gedanken, jetzt ein Interview geben zu müssen. Mein Kopf ist zu voll. Ich bin nicht lange in Afghanistan gewesen, aber ich habe in der kurzen Zeit trotzdem viel erlebt. Das alles zieht in diesem Moment noch mal an meinem geistigen Auge vorbei.
Am interessantesten war diese ständige Offenheit. Man musste die Soldaten nur kurz fragen, wie es ihnen geht, und sofort ging es los. Eine Frage, und das Ergebnis war ein stundenlanger Monolog. Ich erzähle Peter meine Gedanken. Ich habe aber trotzdem durchgehend dieses Gefühl, von den Eindrücken betrunken zu sein. Kennen Sie das, wenn Betrunkene versuchen, nicht betrunken zu wirken? Das macht dann alles nur noch schlimmer. Mir wird klar, dass das momentan nur wirre Gedanken sind, die aus mir heraussprudeln. Man müsste zu einem späteren Zeitpunkt noch mal sprechen. Wenn sich alles gesetzt hat. Und gar nicht zu sprechen, würde mir jetzt auch nichts ausmachen. Ich gucke mich um und sehe erschöpfte Menschen, die sich auf zu Hause freuen. Auf was eigentlich? Auf was freue ich mich? Auch auf zu Hause. Dass ich wieder machen kann, was ich will. Ich freue mich, dass es zu Hause Menschen gibt, die sich auch auf mich freuen. Was ist mit den Soldaten? Wo gehen die hin? Vier Monate im Ausland, dann wieder Monate daheim. Völlig verstört. Wenn ich schon nach fünf Tagen leicht durcheinander bin, wie muss es dann ihnen nach vier Monaten ergehen? Viele Ehen oder Beziehungen, hat man mir gesagt, gehen dadurch kaputt. Ein Soldat hat kurz vor dem Abflug eine SMS von seiner Freundin bekommen: Die Beziehung ist zu Ende, ich bin ausgezogen,
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