Ein Bär im Betstuhl
Oskari Huuskonen erschöpft und amtsmüde. Früher, als er noch ein junger Pastor gewesen war, hatte es ihm nichts ausgemacht, ständig in Gottes Angelegenheiten in der Gemeinde unterwegs zu sein, damals war er als Hilfs prediger in Somero tätig gewesen. Aber inzwischen empfand er das Arbeitspensum als Belastung, und auch sein Glaube hatte nicht mehr die frühere Kraft. Zum Glück war Nummenpää mit seinen mehr als fünftau send Mitgliedern eine so große Kirchengemeinde, dass dem Seelenhirten eine Gehilfin, eine mausgraue, pickel gesichtige Pastorin, zur Seite gestellt worden war. Sie war keine große Augenweide. Warum nur wurden an der theologischen Fakultät stets so reizlose Studentinnen angenommen, wo doch auch attraktivere zur Auswahl standen? Für die Theologie entschieden sich die häss lichsten Studentinnen, das war Fakt, während sich an der historisch-sprachwissenschaftlichen Fakultät gött lich schöne bewarben, um Französisch zu studieren… an der staatswissenschaftlichen wiederum schlampige und großmäulige Raucherinnen, die aber verdammt sexy waren. Oskari Huuskonens diesbezügliche Erinnerun gen an seine Studentenjahre waren noch sehr lebendig.
Bei der Verkündigung von Gottes Wort half äußere Schönheit manchmal mehr als inneres Feuer, jedenfalls wenn eine Frau das Amt ausübte. Huuskonen hatte sich seinerzeit vehement für weibliche Pastoren eingesetzt, hatte eindringliche Artikel über Gleichberechtigung und all diese Dinge in der Presse veröffentlicht, aber das Ergebnis sah man jetzt.
Nun ja, was konnte seine Gehilfin für ihr Gesicht. Sari Lankinen war eine neunundzwanzigjährige Braut Jesu, sang und betete den lieben langen Tag, las mit zittern den Händen die Liturgie und war so von ihrer Frömmig keit erfüllt, dass es dem Pastor manchmal richtig pein lich war.
Die Woche nach Mittsommer war arbeitsreich wie üb lich. Gleich am Montagmorgen musste Oskari Huusko nen in seinem Amtszimmer einen Haufen dienstlicher Papiere bearbeiten, zahlreiche Telefonate führen und Termine für zwei Trauungen und für die Aussegnung von Astrid Sahari festlegen. Wegen der gerichtlich ange ordneten Obduktion und der komplizierten, amtlichen Untersuchungen war die Beerdigung lange hinausge schoben worden, und erst jetzt sollte Astrid die verdiente ewige Ruhe finden.
Um zehn Uhr marschierte Forstarbeiter Jukka Kan kaanpää in eisenbeschlagenen Stiefeln und mit dem Schutzhelm unter dem Arm ins Amtszimmer des Pas tors. Er beabsichtigte zu heiraten, und seine Braut wünschte unbedingt eine kirchliche Trauung. Nur leider war Kankaanpää in seiner Jugend aus der Kirche ausge treten, sodass er jetzt wohl wieder neu eintreten musste. Er war während der wilden Kommunistenzeiten nicht zum Abendmahl erschienen. Huuskonen erklärte dem Mann, dass er den Konfirmandenunterricht absolvieren müsse.
»Was, den Konfirmandenunterricht? Soll ich mich womöglich zwischen all die Kinder setzen? Ich bin ja fast vierzig!«
Der Pastor erklärte ihm, dass er natürlich nicht ins Konfirmandenlager zu fahren brauche. Sie vereinbarten, dass der Forstarbeiter daheim den Katechismus las und an fünf Abenden in der Woche zu Huuskonen in den
Unterricht kam, sodass der Pflichtkurs noch in dersel ben Woche absolviert wäre.
»Nächsten Sonntag kann ich Sie dann konfirmieren.« »Ach, ich werde eingesegnet?«
»Und dann kommt die Heiratserlaubnis, dass es nur so kracht.«
»Aber richtig glauben tue ich nicht, macht das was aus?«
Der Pastor sagte ihm, dass es darauf nicht so sehr ankomme. Kankaanpää solle nur versuchen, recht positiv von Gott und dem Glauben zu denken, dann klappe die Sache schon.
»Es gibt so viele Arten des Glaubens, es gibt den starken und den etwas blasseren.«
Der Forstarbeiter paukte Luthers Katechismus, lernte die Gebote und ihre Erklärungen, aber auch alle ande ren Hauptstücke auswendig, er eignete sich den Stoff gründlich an, vor allem die laut dem fünften Hauptstück auf den Familienvater entfallenden Pflichten für seinen Haushalt.
Als Huuskonen all seine Vormittagsaufgaben erledigt hatte, aß er daheim zu Mittag und fütterte bei der Gele genheit den Bären. Nach dem Essen besuchte er die Hauswirtschaftsberaterin Emilia Nykyri anlässlich ihres achtzigsten Geburtstages. Die Alte wohnte in einem kleinen Häuschen am Rande des Kirchdorfes. Der Pastor hielt eine kurze Rede, dann sangen alle gemeinsam die zweite und dritte Strophe des Liedes Nr. 278, und
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