Ein Bär im Betstuhl
worden war, tranken die Leute rasch Kaffee und eilten dann
nach Hause zum Essen, denn auf der Beerdigung der Köchin hatten sie unerhörten Hunger bekommen. Auch der Pastor eilte heim, wo ihn der hungrige Bär erwartete. Der Pastor schnitt ihm ein tüchtiges Stück Ringwurst ab und erkundigte sich dann bei seiner Frau, was es zum Abendbrot gebe.
Sie trug einen fertig gekauften Leberauflauf auf und schnitt ihm dazu lustlos ein paar Scheiben Salzgurke ab, dann goss sie ihm Wasser ins Glas und zog sich in ihr Zimmer zurück. Der Pastor ließ in der Leberpampe ein wenig Butter zerlaufen und kaute dann lustlos die fade Mahlzeit. Es war ja nicht so, dass nicht auch diese einfache Speise Gottes Saat war und als solche jede Ehrfurcht verdiente, aber irgendwie fand er es unange messen, sich als Pastor ein Essen reinschaufeln zu müssen, das eher ein Hundefraß war.
Als der Pastor fertig war, klemmte er sich den Bären unter den Arm und trabte ins Schlafzimmer, wo seine Frau gereizt in ihrer Hälfte des Ehebettes wartete.
»Wehe, du bringst das Vieh mit ins Bett«, rief sie streitsüchtig.
»Der Kleine ist es gewöhnt, am Fußende zu schlafen, schließlich wärmt er auch dir die Füße«, appellierte der Pastor an sie.
Sie richtete sich kriegerisch aus den Kissen auf. »Kapierst du Trottel nicht, dass keine vernünftige
Frau mit einem Bären im selben Bett schlafen will?« Saara Huuskonen stimmte eine echte Litanei an: Wie
es sie ekelte, sich um die Hygiene des Bären kümmern zu müssen, seine Achselhöhlen stanken nämlich nach Torfmoor, er leckte so gut wie nie seine Afteröffnung ab, seine Zähne stanken nach verfaultem Fisch, wenn man sie nicht täglich mit Gewalt schrubbte, wobei er sogar versuchte, seine Pflegerin zu beißen, und er hatte immer noch nicht gelernt, sich aufs Klosettbecken zu setzen, sondern verstreute seine stinkenden Haufen im ganzen Garten, ja gestern hatte er sogar einen direkt vors Wohnzimmersofa gesetzt. Oskari Huuskonen erinnerte sie daran, wie glücklich sie in jüngeren Jahren gewesen war, wenn sie mit ihm unter einer Decke liegen konnte, und wie sie ihm ins Ohr geflüstert hatte, dass er süß und stark wie ein Bär sei.
»Hier wäre jetzt ein echter kleiner Bär, aber dir scheint das nicht recht zu gefallen.«
»Schaff das Vieh raus und lass mich schlafen.« Der Pastor schloss Sapperlot in seinen Korb ein, aber
als er das Licht gelöscht hatte, begann der Kleine ängst lich zu winseln und ließ sein Herrchen und Frauchen nicht schlafen. Oskari bat seine Frau, sie möge gestat ten, dass er den Bären ins Bett hole, da dieser in seinem Korb so allein war und weinte. Da geriet sie endgültig außer sich und befahl ihm, das Ehebett zu verlassen.
»Ich habe von Bären genug! Raus mit euch, alle bei de!«
Oskari Huuskonen trug den Bärenkorb ins Wohn zimmer, dort klappte er die Schlafcouch auf und machte für sich und den Bären ein Bett zurecht. Als er Sapper-lot aus seinem Korb befreit hatte, schlief der zufrieden zu Füßen seines Herrchens ein. Im Schlaf fuhr seine Zunge gelegentlich über die stachelige Wade des Pastors. Oskari selbst lag lange wach und dachte über sein Leben nach.
Am Morgen war der Pastor müde und ging nicht eben mit großem Elan an seinen üblichen Schriftkram. Gegen Ende der Sprechzeit kam ein junger Bauer ins Amts zimmer, in der Hand trug er einen Speer und über der Schulter eine aufgerollte Wäscheleine. Der dreißigjähri ge, sportliche Mann hieß Jari Mäkelä, und er hatte ein wichtiges Anliegen an den Pastor.
»Ich habe mir gedacht, dass mir die Kirchengemeinde vielleicht den Glockenturm als Trainingsstätte vermieten könnte, weil die Glocken gar nicht mehr richtig geläutet werden, so was kommt heutzutage ja alles vom Band.«
Der Vorschlag, den Glockenturm zu vermieten, war so absonderlich, dass der Pastor mehr über die Idee wissen wollte.
Mäkelä lehnte seinen Speer an die Wand und legte die Wäscheleine auf einen Stuhl. Dann erzählte er, dass er eine neue und besonders anspruchsvolle Art des Speer wurfes betreibe.
»Ja, jetzt erinnere ich mich. Bist du nicht derselbe Ja ri Mäkelä, der bei den Bezirksmeisterschaften im Speer wurf den ersten Platz belegt hat?«
Der Sportler errötete vor Freude. Man erinnerte sich an ihn! Der Pastor wusste sogar noch, wie gut Jari damals, im Sommer 1989, in Form gewesen war, drei undsechzig Meter und zweiundzwanzig Zentimeter hatte er erzielt, es war ein geradezu infernalischer Wurf
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