Ein Bär im Betstuhl
»Raubtiere sind ja in vielerlei Hinsicht rechte Teufel. Das Bistum hat nichts gegen den Namen einzuwenden, da sei der Teufel vor.«
EIN TEDDYBÄR
RETTET DEM PASTOR DAS LEBEN
Pastor Huuskonen hatte sich angewöhnt, Sapperlot zu den Gottesdiensten und anderen Feierstunden wie Taufen, Beerdigungen und Trauungen in die Kirche mitzunehmen. Zunächst hatte er ihn in die Sakristei eingeschlossen, aber da Sapperlot sich dort allein nicht wohl fühlte, ließ der Pastor ihn neuerdings in den Kir chensaal, wo er sich im Allgemeinen ruhig verhielt, wie es sich im Tempel des Herrn gehörte. Aber manchmal gewannen seine Verspieltheit und grenzenlose Neugier die Oberhand, und dann kletterte er auf die Orgelempo re und turnte von dort bisweilen sogar auf die Kanzel, wo er sich ans Geländer stellte und die unten sitzende Gemeinde fixierte. Vor der Orgelmusik hatte er zunächst Angst gehabt, hatte sich aber bald an die dröhnenden Klänge gewöhnt, und besonders konzentriert lauschte er, wenn gesungen wurde. Er hätte sicher mit einge stimmt, aber Bären können nicht singen, selbst wenn sie es möglicherweise gern wollten.
Der kleine Bär, der so niedlich herumtollte, war bald der Liebling der ganzen Gemeinde, und niemand nahm Anstoß daran, dass im Gotteshaus ein wildes Tier herumlief. Im Gegenteil, die Kirche war jeden Sonntag voll, und die Besucher verfolgten andächtig, was der Bär trieb. Nummenpää hatte mehr Gottesdienstbesucher zu verzeichnen als jede andere Gemeinde des Bistums Helsinki. Das war kein Wunder, denn es machte den Leuten Spaß, Sapperlot zuzuschauen, das Ganze war wie ein Tierfilm im Fernsehen, nur war man direkt dabei. Und die feurigen Predigten des Pastors waren auch gar nicht so übel.
Für Oskari Huuskonen war das Verhör beim Bischof eine derart schlimme Erfahrung gewesen, dass er noch eigenwilliger predigte als vorher. Es war wie eine Trotz reaktion:
Wenn Druck ausgeübt wird, treibe ich es noch schlimmer, ich laufe im vollen Galopp, und sei es gegen die Wand.
Eines Sonntags redete er sich richtig in Rage und leg-te in seiner Wut ein vollständiges Sündenbekenntnis ab. Er donnerte von der Kanzel herunter, dass ausgerechnet er seinen festen Glauben an Jesus Christus, den all
mächtigen Gott und auch an den heiligen Geist verloren habe.
»Ich fühle mich sündig, und, was das Schlimmste ist, mit meinem Glauben habe ich auch meine Lebenslust und meine Freude verloren, ich bin ein elender Zyniker geworden und wälze mich im Sündenpfuhl.«
Seine Gattin vorn auf der ersten Bank rutschte pein lich berührt hin und her. Gütiger Gott, war der Kerl wieder mal in Fahrt! Als der Pastor Derartiges verkünde te, lauschte das Volk mit gespannter Aufmerksamkeit, und Sapperlot hörte auf zu spielen. Huuskonen fürchte te, dass dies seine letzte Predigt in der Gemeinde gewe sen sein könnte. Hatte es das je gegeben, dass ein Pas tor von der Höhe der Kanzel herab seine Sünden be kannte? Huuskonen konnte sich an keinen Fall erin nern, und jetzt tat er es soeben selbst, noch dazu mit donnernder Stimme. Nach dem Gottesdienst wartete er gespannt auf die Reaktion der Gemeinde, konnte doch seine Amtsenthebung oder zumindest ein Predigtverbot davon abhängen. Der Pastor hatte mit seinen fünfzig Jahren wahrlich genug gepredigt, und was hatte es genutzt? Nichts. Er hätte ebenso gut all die Zeit den Mund halten können, so zumindest kam es ihm jetzt vor.
Gleich nach dem Gottesdienst kamen die Besucher aus den ersten Reihen zu ihm, um ihm mit Handschlag zu der eindrucksvollen und zu Herzen gehenden Predigt zu gratulieren. Der Vorsitzende des Kirchgemeinderates, Landwirtschaftsrat Lauri Kaakkuri, sagte bewundernd:
»Oskari, du predigst wie ein Tiger. Mir kamen richtig die Tränen, so eindringlich hast du über uns sterbliche Sünder gesprochen. Ich gratuliere, und mach weiter so!«
Taina Säärelä, die Vorsitzende des Fördervereins des Kirchenchores, säuselte:
»Du hast die göttliche Gabe, dich selbst zu riskieren, Oskari Huuskonen!«
In der Sakristei kam die Hilfspredigerin extra zu ihm, um ihm zu sagen, dass sie unbedingt lernen wolle, ebenso aufrüttelnd zu predigen wie er, und ob er ihr nicht diesbezüglich väterliche Ratschläge geben könne.
»Meine Tochter, ein Pastor muss ein Leben führen, das ihm Stoff für seine Predigten gibt«, sagte Pastor Huuskonen nur.
Das war ein wirklich trefflicher Rat. Hilfspredigerin Sari Lankinen kam ins Grübeln und erwog, ebenfalls Sünden
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