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Ein Bär im Betstuhl

Titel: Ein Bär im Betstuhl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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an­ gesichts seiner politischen Einstellung anzunehmen ist, hätte man ihn vermutlich nach Ausbruch des Aufstan­ des ins Volkskommissariat, also in die kommunistische Regierung, als Minister gewählt. Sein Ressort hätte etwa die Versorgung sein können, auf diesem Gebiet besaß er Voraussetzungen und Erfahrungen – erinnert sei an jenen Fall, da er eine tausendköpfige Menschenmenge mit einigen wenigen Broten und Fischen speiste. Er wäre auch ein ausgezeichneter Agitator, Redner und Zeitungsmann gewesen, hätte aber als Kommandeur der Fronttruppen kaum Erfolg gehabt. Wahrscheinlich ist auch, dass sich Jesus, gläubig wie er war, die Marx’schen Theorien zu Eigen gemacht, seinen eigenen Ansichten angepasst und sie nach bestem Wissen ange­ wandt hätte.
    Nach der Niederschlagung des Aufstandes wäre Jesus vermutlich nicht, so wie die anderen roten Führer Finn-lands, nach Russland geflohen, um dort später eine Kommunistische Partei Finnlands zu gründen, sondern er hätte sich im Augenblick der Niederlage widerstands­ los den Weißen ergeben, wie es tausende einfache Mit­ glieder der Roten taten. Man hätte ihn umgehend an den Rand einer Kiesgrube gestellt und erschossen. Ob Jesus nach drei Tagen wieder auferstanden wäre, bleibt reine Spekulation. Wahrscheinlich hätten die Roten das zu­ mindest behauptet, genau wie es seinerzeit in Israel der Fall war.
    Falls Jesus die Massenhinrichtung überlebt hätte, hätte man ihn wegen Vaterlandsverrates zum Tode oder zu lebenslanger Haft verurteilt. Im letzteren Fall hätte man ihn vermutlich zunächst in Suomenlinna und später im Zwangsarbeitslager von Tammisaari einge­ sperrt, genau das richtige Terrain für ihn, weiter politi­ sche Schriften zu verfassen und illegal zu arbeiten. Er wäre mit Sicherheit ein Nationalheld der Roten gewor­ den, und es ist anzunehmen, dass Otto Ville Kuusinen nie eine derartige Machtstellung in der kommunisti­ schen Weltbewegung erlangt hätte, wenn Jesus hätte leben dürfen.
    Somit ist ohne weiteres anzunehmen, dass ein leben­ der Jesus am Ende sogar Stalin ausgeschaltet und ihn ins Exil geschickt oder einfach beseitigt hätte. Der inter­ nationale Kommunismus hätte auf diese Weise eine andere, eine humanistische und fromme Richtung be­ kommen und wäre nie untergegangen. An sich also eine bedauerliche Tatsache, dass Jesus nicht am finnischen Bürgerkrieg teilgenommen hat. Vielleicht ist dies jedoch auch als weise Fügung Gottes zu betrachten.« Pastor Huuskonen überließ Sapperlot Anfang August der Witwe Rehkoila zur Betreuung und reiste selbst nach Helsinki. Er schrieb sich im Hotel Inter Continental ein und machte sich dann auf den Weg zum vereinbar­ ten Gespräch im Domkapitel. Es war elf Uhr, und das Treffen sollte im Arbeitszimmer von Assessor Ilkka Han­ hilainen auf dem Boulevard stattfinden. Anwesend war auch Bischof Ketterström. Hanhilainen war sechzig, ein rundlicher, glatzköpfiger und jovialer Mann, Bischof Ketterström hingegen ein asketischer, trockener Sport­ lertyp, er war groß und im Umgang recht schwierig. Das Zimmer des Assessors war geräumig, darin standen ein Schreibtisch aus Mahagoni und gegenüber, vor den Bücherregalen, eine abgenutzte lederne Couchgarnitur. Auf dem Tisch war zum Kaffee eingedeckt, das Gebäck stammte aus der nahe gelegenen Konditorei Ekberg.
    Sowohl der Bischof als auch der Assessor erhoben sich lächelnd beim Eintritt des Pastors. Ihr Händedruck war fest und warm, woraus Huuskonen schloss, dass es jetzt wirklich ernst stand. Je freundlicher Kirchenmän­ ner zueinander sind, desto Schlimmeres führen sie im Schilde.
    »Möchtest du Konfekt, Bruder Oskari? Es sind ausge­ zeichnete Pralinen von Brunberg aus Porvoo«, sagte der Assessor, aber Huuskonen lehnte dankend ab. Er wollte sofort zur Sache kommen.
    »Tja… dies ist eine wirklich bedauerliche Angelegen­ heit«, begann Bischof Ketterström.
    »In der Tat, eine ziemlich schlimme Sache«, bestätigte der Assessor der Jurisprudenz.
    Dann äußerte der Bischof, dass weder er noch die Kirche am Privatleben des Pastors zu kritteln hätten, das sei ganz und gar dessen eigene Sache.
    »Aber uns ist hinterbracht worden, dass du in der Gemeinde Nummenpää mindestens zwei, wenn nicht sogar drei uneheliche Kinder hast und dass du eigenwil­ lig und nach Gutdünken predigst, ohne dich um den vorgeschriebenen Text zu kümmern.
    Neuerdings trägst du überall einen Bären mit dir her-um, er scheißt dem Vernehmen nach in die

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