Ein Bär im Betstuhl
Sakristei und tobt während des Gottesdienstes in der Kirche herum, sodass die Leute Angst bekommen. Aber all diese Dinge sind an sich ganz verständlich und interes sieren uns hier in der Zentrale des Bistums eigentlich weniger«, plauderte der Bischof in freundlichem und sanftem Ton.
»Wir haben ferner gehört, dass du in einen tiefen Brunnen steigst und von dort Speere nach oben schleu derst, aber in solche Freizeitbeschäftigungen mischen wir uns in der Tat nicht ein. Die evangelisch-lutherische Kirche Finnlands ist großzügig und tolerant«, betonte der Assessor.
»Aber deine Zeitungsartikel! Sie sind ein wirkliches Ärgernis«, sprach der Bischof mit trauriger Stimme.
»Unlängst hast du Halunke in der Regionalzeitung einen ganz und gar unmöglichen Beitrag veröffentlicht«, klagte der Assessor.
»Darin gibst du unter anderem zu verstehen, dass Jesus eine Art Aufständischer und Kommunist war«, ergänzte Bischof Ketterström.
»Du wagst zu behaupten, dass die Jünger und Apostel Führer einer militärisch organisierten Partisanenarmee waren, Jesus wiederum ein Revolutionär, der Israels Unabhängigkeit anstrebte und selbst König werden wollte.«
Zwischendurch nippten die Herren von ihrem Kaffee und knabberten Gebäck. Dann verkündete der Bischof:
»Solche Schreibereien sind des Teufels, anders kann ich es nicht sagen. Die evangelisch-lutherische Kirche Finnlands gerät dadurch in ein schlechtes Licht, du stellst den Kern des gesamten religiösen Lebens in Fra-ge, beschädigst Jesu Botschaft von der Versöhnung und Vergebung. Das ist ebenso höhnisch und grotesk, wie zu behaupten, dass Maria nicht jungfräulich geboren hät
Pastor Huuskonen schielte die beiden Männer, die über ihn zu Gericht saßen, wütend an und knurrte:
»Das hat sie wahrscheinlich auch nicht, wie soll denn eine Frau vom bloßen heiligen Geist schwanger werden. Das Ganze hat stark den Anschein von künstlicher Befruchtung.«
Der Assessor hüstelte und sagte, dass Huuskonen es ja wissen müsse, hatte er doch mehrere Bankerte in die Welt gesetzt.
Nun hatte Pastor Huuskonen genug. Er fragte, wozu das Verhör eigentlich diente, ob man ihn zurechtweisen oder irgendwelche praktischen Maßnahmen ergreifen, zum Beispiel ein Predigtverbot verhängen oder sein Amt kündigen wolle.
»Oh nein, darum geht es nicht«, sagte Bischof Ket terström in klagendem Ton. »All diese Dinge sind so heikel, dass wir meiner Meinung nach eine Einigung erzielen müssen.«
»Wir schlagen vor, dass du, Bruder Oskari, eine Weile nicht für die Zeitung schreibst.«
»Die Freiheit des Wortes gilt auch für Pastoren«, be merkte Huuskonen.
»Stimmt«, rief der Bischof. »Vor allem die Freiheit der Verkündigung des Wortes, aber diese Verkündigung muss unbedingt von der Kirche gebilligt, kanonisiert und nicht frei erfunden sein. In religiösen Fragen darf es keine unterschiedlichen Interpretationen geben. Man muss nach den Dogmen der Kirche leben. Schon in der Urgemeinde…«
»Damals redete doch jeder hergelaufene Kerl, was ihm gerade einfiel, und auf Tontafeln wurde aller möglicher Schwachsinn gekrakelt«, behauptete Huuskonen.
»Die Zeiten gehören der Vergangenheit an«, bestätigte der Assessor. »Außerdem steckt in der Bibel immer noch die wahre und heilige Kraft, das kannst du nicht leugnen.«
»Der Text ist besser als dein Gekritzel neulich in der Zeitung«, bekräftigte der Bischof.
Das gab Pastor Huuskonen gern zu. Trotzdem war er nicht gewillt, das Schreibverbot zu akzeptieren, sondern erklärte, dass er seine Linie verfolgen werde, solange sie ihm richtig erscheine. Er schlug vor:
»Vielleicht können wir uns darauf einigen, dass ich in diesem Herbst auf meine Schreibversuche verzichte. Ich habe anderes zu tun, als hier mit euch zu schwätzen, muss den Bären in den Winterschlaf schicken.«
Erleichtert schenkten sich der Assessor und der Bi schof Kaffee nach.
»Habe ich richtig verstanden, dass du den Bären wirk lich behalten willst?«, fragte der Bischof, der mit dem erzielten Kompromiss zufrieden war.
Huuskonen bestätigte, dass er sich inzwischen an sein Geburtstagsgeschenk gewöhnt habe und nicht plane, das Tier zu töten. Seiner Frau gefalle das nicht recht, aber er habe für den Kleinen ein gutes Ausweich quartier bei einer trauernden Witwe gefunden.
»Wie heißt noch gleich der Bär?«, fragte der Bischof wohlwollend.
»Sapperlot.«
Der Bischof fand, dass das ein treffender Name für einen Bären sei.
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