Ein Ballnachtstraum
Maribella und Eloise über ihn gesprochen hatten. Vielleicht lag es an seinem Beschützerinstinkt oder an seinem Besitzanspruch, jedenfalls behagte ihm der Gedanke ganz und gar nicht, dass eine professionelle Kurtisane Einfluss auf Eloise nehmen könnte und ihr möglicherweise Ratschläge gab.
Beim Betreten des Hauses begegnete ihm Eloise in Hut und Mantel, die an ihm vorbei zur Tür wollte. Er nahm sie beim Arm und hielt sie in dunkler Ahnung zurück. „Was immer sie über mich sagte, es stimmt nicht. Bitte geh noch nicht.“
Eloise blickte unschuldig zu ihm auf, als er sie näher zog. „Sie hat nichts über dich gesagt, aber ich muss weg.“
„Warum?“, fragte er in der festen Überzeugung, sie sei nur ihm Rechenschaft schuldig.
„Thalia und die Dienstboten werden sich fragen, wo ich geblieben bin“, antwortete sie und schmiegte sich an ihn.
Er atmete ihren Duft ein; es gab kein süßeres Parfum für ihn als dieser Hauch von Lavendel und Olivenseife. „Aber du hast es nicht nötig, auch nur noch einen einzigen Tag in deinem Leben zu arbeiten“, murmelte er.
Sie hob ihm ihr Gesicht entgegen, als er sie küssen wollte, dann erstarrte sie. „Dein Bruder steht direkt hinter dir.“
Drake fluchte leise.
Sie entwand sich seinen Armen. Er schloss kurz die Augen, um nicht die Fassung zu verlieren. „Bleib“, bat er.
„Ich habe versprochen, bei den Hochzeitsvorbereitungen zu helfen“, flüsterte sie.
„Welche Hochzeit?“, fragte er begriffsstutzig. „Ach so … Thalia und Sir Thomas.“ Er schüttelte den Kopf und lächelte ergeben. „Ich bringe dich zurück.“
„Nein. Man soll uns nicht schon wieder zusammen sehen. Bald weiß alle Welt …“ Sie warf nochmals einen bedeutungsvollen Blick zu Devon hinüber, der das Gesicht ein wenig zu hastig abwandte, um nicht den Verdacht zu erwecken, er belausche das Paar.
„Was weiß bald alle Welt?“, fragte Drake. „Dass du meine neue Mätresse bist?“
„Es ist doch nicht nötig, das so öffentlich zur Schau zu stellen“, entgegnete sie verlegen flüsternd.
Er zuckte gleichmütig mit den Schultern. In ein paar Tagen würde ohnehin jeder, der ihn kannte, davon Kenntnis haben, dass er sich eine neue Mätresse genommen hatte. Obgleich er nicht der Mensch war, der sein Privatleben in der Öffentlichkeit ausbreitete, hatte er auch nicht die Absicht, Eloise zu verstecken. „Ich begleite dich zu Thorntons Haustür“, sagte er mit Bestimmtheit. Und mit einem Blick zu seinem Bruder fügte er hinzu: „Bleibst du noch?“
Devon räusperte sich. „Nun ja, ich könnte noch ein Weilchen bleiben. Nur damit die andere Dame sich nicht vernachlässigt fühlt.“
Drake lachte bei dem Gedanken, dass jemand die temperamentvolle Liebesdienerin in seinem Salon vernachlässigen könnte. „Tu dir keinen Zwang an, aber ich rate dir zur Vorsicht. Ich möchte nicht, dass die Dame dich zum Abendessen verspeist.“
„Willst du uns nicht offiziell miteinander bekannt machen?“, fragte Devon schmunzelnd.
Drake wollte seine Bitte bereits ablehnen, als Eloise sich lächelnd zu Wort meldete. „Mich stört das keineswegs“, erklärte sie liebenswürdig. „Ich würde nur vorher Miss St. Ives um Erlaubnis fragen.“
Als Drake den Salon betrat, stand Maribella über die Schachfiguren auf dem Spieltisch gebeugt.
Er räusperte sich. „Mein jüngerer Bruder würde Sie gerne kennenlernen. Haben Sie etwas dagegen?“
Mit einer halben Drehung über die Schulter antwortete sie mit leisem Vorwurf: „Für einen weiteren Boscastle stehe ich nicht zur Verfügung.“
Er schmunzelte. „Ich hoffe, Sie hegen keinen Groll gegen mich für das, was geschehen ist.“
„Wegen Eloise?“ Sie stellte die weiße Königin auf das Schachbrett zurück. „Im Gegenteil“, fuhr sie mit einem warmen Lächeln fort. „Ich bin Ihnen geradezu dankbar für dieses Wiedersehen.“
Drake zögerte. „Ich möchte nicht unhöflich erscheinen, aber es wäre vielleicht besser, wenn Sie und Eloise sich nicht in Gesellschaftskreisen begegnen.“
„Guter Gott“, erwiderte sie lachend. „Der Teufel wandelt sich zum Moralapostel. Seien Sie unbesorgt, Boscastle. Ich werde keinen schlechten Einfluss auf Eloise ausüben. Im Übrigen verlasse ich London bald und reise nach Frankreich.“
„Haben Sie mir vergeben?“
Sie musterte ihn kühl. „Nur weil die andere Frau Eloise ist.“
Er schüttelte den Kopf. „Mir ist es einerlei, was andere Leute über mich reden, aber können wir uns darauf
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