Ein Ballnachtstraum
Irgendetwas an diesem irritierenden Ansinnen war ihr ganz und gar nicht geheuer. „Ihr Antrag ist zwar schmeichelhaft, aber ich kann ihn nicht annehmen.“
„Aber ich brauche Sie, Eloise.“ Auf seinen Wangen hatten sich vor Aufregung zwei rote Flecken gebildet. „Ich brauche unbedingt eine Ehefrau“, gestand er kleinmütig. „Mein Onkel lieh mir das Geld, um meine Schulden zu begleichen, unter der Bedingung, dass ich binnen eines Monats eine rechtschaffene, ehrbare Frau heirate.“
Eloise hätte ihm liebend gerne den Hals umgedreht. „Und da komme ich Ihnen wohl gerade recht. Ich, das linkische Ding, das Ihnen großmütig verzeiht und Sie bedauert. Sie … Sie eingebildeter Affe. Im Übrigen bin ich seit gestern Nacht keine ehrbare Frau mehr. Sie müssen sich schon eine andere suchen, die auf Sie hereinfällt.“
Er ließ sich schwer aufs Sofa plumpsen und stützte den Kopf in die Hände. „Aber keine anständige Frau will einen Betrüger heiraten, Eloise. Sie müssen mir helfen! Ich bin völlig verzweifelt.“
Noch vor ein paar Wochen wäre sie beim Anblick seiner Niedergeschlagenheit weich geworden. Sie empfand zwar Mitleid für den Jammerlappen, aber nie im Leben würde sie ihn heiraten. „Reißen Sie sich zusammen, Mylord!“, schalt sie barsch und begab sich zur Tür. „Wir müssen Hochzeitsvorbereitungen treffen.“
„Unsere Hochzeit?“, sagte er hoffnungsvoll und hob den Kopf.
Sie musterte ihn erzürnt. „Die Hochzeit Ihrer Schwester, nicht die unsere. Außerdem habe ich den Eindruck, Sie brauchen eine Mutter dringender als eine Ehefrau.“
„Werden Sie mir helfen?“, fragte er im Aufstehen und folgte ihr wie ein Hündchen.
„Eine Mutter zu finden?“
„Nein“, antwortete er kläglich. „Eine Ehefrau.“
„Wie in Gottes Namen soll ich Ihnen dabei helfen?“
„Kein Mensch will noch etwas mit mir zu tun haben“, klagte er wehleidig. „Nicht einmal Sie, Eloise. Und in Ihnen habe ich immer meinen Fels in der Brandung, meinen rettenden Anker gesehen.“
„Ihr Fels stand offenbar in Treibsand.“
„Sie werden Ihrem neuen Beschützer doch hoffentlich nichts von meinem Antrag berichten, wie?“, fragte er angstvoll. „Ich meine, ich möchte Boscastles gewalttätiges Temperament nicht zu spüren bekommen.“
Eloise drehte den Türknauf. „Ich werde kein Wort darüber verlieren unter der Bedingung, dass Sie sich manierlich benehmen, bis Thalia unter der Haube ist. Einverstanden?“
„Habe ich eine andere Wahl?“
„Nein.“ Sie öffnete die Tür zum Flur. Thalia und die Dienstboten, die einträchtig gelauscht hatten, stoben auseinander wie eine Schar Hühner. Hinter ihrem Rücken hörte sie Lord Thornton brummen: „Dieser verdammte Drake Boscastle. Wie soll sich ein normal Sterblicher gegen diesen Teufel in Menschengestalt durchsetzen?“
Diese armselige Jammergestalt jedenfalls nicht, dachte Eloise ungerührt. Genauso wenig, wie eine normal sterbliche Frau ihm widerstehen konnte.
27. KAPITEL
Später am Abend stand Freddie in Drakes Arbeitszimmer und erstattete einen ausführlichen Bericht mit einigen Ausschmückungen, wie es seine Art war, über das Gespräch zwischen Lord Thornton und Eloise, das er belauscht hatte.
Drake lehnte den Kopf gegen die Rückenlehne des Ledersessels. Freddie hatte den Eindruck, Seine Lordschaft wirke im flackernden Kerzenlicht wie ein Dämon, mit dem ein Mann mit rechtem Verstand sich nur ungern anlegen würde. Aber Freddie war kein Dummkopf, wie ihm von seinem Vater immer wieder vorgeworfen worden war, bevor er das Haus seiner Eltern verlassen hatte.
Und er hielt große Stücke auf Lord Drake und setzte alle Hoffnungen in ihn. Er wischte mit dem Ärmel ein paar Staubflusen vom Schreibtisch. Freddie hatte nämlich große Zukunftspläne und wollte es zum obersten Diener in einem Haus wie diesem bringen. Dann würde sein Vater ihn keinen Dummkopf mehr nennen, wenn sein Erstgeborener in einer vornehmen Livree und Seidenstrümpfen herumstolzierte. Er würde vielleicht sogar eine weiß gepuderte Perücke über seinen roten Haarschopf stülpen, den ihm sein Gin saufender Erzeuger vererbt hatte.
Drake klopfte nachdenklich mit dem Federhalter auf die Tischplatte. Freddie sah, dass er wütend war, auch wenn er sich um Beherrschung bemühte. „Beschreibe mir noch einmal Miss Goodwins Reaktion auf diesen Antrag“, forderte er in gespielter Gelassenheit.
Freddie schnaubte verächtlich. „Sie war außer sich, die Gute, und hätte ihn wohl am
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