Ein Ballnachtstraum
schockiert, wenn sie wüsste, dass Eloise ihren Bruder aus einem Bordell geholt hatte, um ihr bei der Suche nach ihrem abgängigen Schützling beizustehen.
Seine amüsierte Stimme holte sie aus ihren besorgten Grübeleien. „Gibt es noch etwas, das Sie über mich wissen möchten? Damit könnten Sie sich peinliche Situationen in der Zukunft ersparen.“
Sie bemerkte seinen belustigten Gesichtsausdruck. Eine größere Peinlichkeit als diese Situation konnte sie sich kaum vorstellen. „Ich denke, ich weiß alles Nötige über Sie“, erwiderte sie mit einem heimlichen Seufzen. „Ihr Aufenthalt in einem Bordell bedarf kaum näherer Erläuterungen.“
Drake begriff nicht, wieso er nicht wütender war, weil sie ihm den Abend verdorben hatte. Die berühmte Miss St. Ives wartete auf ihn, eine Frau, die einen Mann mit einem einzigen Blick in die Knie zwingen konnte, und außerdem hatte ihn das Arrangement bereits eine hübsche Summe gekostet. Er konnte es Maribella kaum verdenken, dass sie ihm die Tür vor der Nase zugeworfen hatte. Auch er wäre tief gekränkt gewesen, hätte sie ihn mitten in einer Verführungsszene stehen gelassen für … wofür eigentlich? Was war eigentlich in ihn gefahren?
Er beobachtete Eloise, deren offenes Haar in schimmernden Locken über ihre Schultern wallte. Gabriel hätte eine Ohrfeige verdient, sie hierher gebracht zu haben.
Drake wusste nicht genau, was er von ihr halten sollte. Vielleicht verbarg sich hinter ihrer kühlen, sittsamen Fassade mehr, als er ahnte. Er hätte nichts dagegen gehabt, mehr Zeit mit ihr zu verbringen, um seine Neugier zu stillen. Er rieb sich das Kinn. Grundgütiger, wie übersättigt musste er sein, eine einfache Gouvernante anregend zu finden, während er eine gefeierte Kurtisane haben könnte. Er würde sich anstrengen müssen, um Maribellas Gunst wiederzugewinnen, falls sie je wieder ein Wort mit ihm sprach.
Er legte die Hand an den Türgriff. Soeben war sein Cousin Gabriel aus Audreys Haus getreten, und das bedeutete, dass es dem frechen Kerl nicht gelungen war, von Maribella empfangen zu werden, was er sich so sehnlich gewünscht hatte. Das geschah dem Mistkerl gerade recht. „Entschuldigen Sie, Miss Goodwin“, sagte er. „Ich muss noch etwas klären.“
Sie seufzte ungeduldig.
Gabriel war an der Kutsche angekommen, als Drake ausstieg. „Mach dir keine Mühe, Drake“, erklärte er kopfschüttelnd. „Die Dame deines Herzens hat mit ihren Leibwächtern das Haus durch die Hintertür verlassen.“
Drake fluchte in sich hinein, und Gabriel grinste schadenfroh. „Ach ja“, fuhr er fort. „Ich soll dir ausrichten, niemand lässt sie wegen einer anderen Frau im Stich. Niemand.“
Eloise steckte den Kopf aus dem Wagenfenster und musterte Drake kritisch. „Noch eine Frau? Zwei in einer Nacht?“
Gabriel räusperte sich. „Die zweite Frau sind Sie, Miss Goodwin.“
Sie öffnete den Mund, ohne einen Laut hervorzubringen, bis sie nach einigen Sekunden die Sprache wiederfand. „Ihr Privatleben geht mich nichts an, Lord Drake“, sagte sie mit belegter Stimme. „Ich möchte ja nicht aufdringlich erscheinen, aber es liegt mehr sehr daran, Miss Thornton zu finden und nach Hause zu bringen.“
„Sie haben meine Zusage, oder etwa nicht?“ Er bedachte sie mit einem frostigen Blick. „Ich möchte zwar nicht unhöflich erscheinen, aber ich muss wohl nicht ganz bei Sinnen sein, mich darauf einzulassen.“
Ihre Antwort klang erstaunlich souverän. „Die Güte in Person.“
„Wenn Sie sich da nur nicht irren. Ehrlich gesprochen habe ich nicht viel Übung darin, den Helfer in der Not zu spielen. Haben Sie eigentlich in Erwägung gezogen, ob Thalia überhaupt den Wunsch hat, gerettet zu werden, wenn Sie mir die Frage gestatten?“
Eloise schlug stumm die Augen nieder, erschrocken über seinen Sarkasmus. Sie war offenbar der irrigen Meinung, in ihm so etwas wie einen Gentleman zu sehen. Es war besser für sie, gleich die Wahrheit über ihn zu erfahren.
„Nun gut, ich bemühe mich, die beiden ausfindig zu machen. Aber ich bestehe darauf, dass Sie sich nach Hause begeben und dort warten.“
Langsam hob sie den Kopf. Eine störende Unruhe befiel ihn, als er ihrem festen Blick begegnete. „Vielen Dank“, sagte sie sichtlich erleichtert.
Sein Cousin entfernte sich von der Kutsche. „Wo fährst du hin? Soll ich dich begleiten?“
Drake machte ein finsteres Gesicht. Er wusste genau, warum Gabriel sie hierher gebracht hatte. Seine Hilfsbereitschaft
Weitere Kostenlose Bücher