Ein Ballnachtstraum
die bereit gewesen wären, sich um sie zu kümmern, bis sie wieder Arbeit gefunden hätten.
„Ich mache mir keine Sorgen“, erklärte Mrs. Barnes zuversichtlich mit einem hoffnungsvollen Blick zu Eloise. „Ihr vornehmer Gentleman wird schon bald ein hübsches Haus in Piccadilly für Sie finden.“
„Mein vornehmer Gentleman … ich muss schon bitten!“
Grundgütiger, alle starren mich an wie eine halb verhungerte Schafherde, dachte Eloise grollend.
„Aber nur, wenn sie sich entschließt, ihn zu nehmen“, brummte Freddie halblaut.
„Ihr findet alle Arbeit in meinem Haus“, ließ Thalia verlauten, die schlaftrunken in der Tür stand und das Gespräch mitgehört hatte.
Eloise drehte sich langsam um. Ihr schauderte bei dem Gedanken, ihr Leben lang nach Thalias Pfeife tanzen zu müssen. „Das ist sehr gütig von Ihnen, aber ich bin sicher, Sir Thomas hat bereits Bedienstete.“
„Gerade fällt mir ein, mein Onkel hat in Blackfriars ein Gasthaus“, sagte Mrs. Barnes aufgeräumt.
Heston straffte die Schultern. „Und ich trage mich mit der Absicht, demnächst eine eigene kleine Gaststätte zu eröffnen.“
„Hoffentlich in der Nähe eines Friedhofs“, murmelte Freddie in sich hinein, „weil deine Gäste verdursten, ehe du etwas zu Trinken bringst.“
Thalia klopfte mittlerweile ungeduldig mit ihrem Seidenpantoffel auf den Fußboden. „Denkt in diesem Haus eigentlich auch nur ein Mensch an mich? Ich warte seit einer Ewigkeit auf mein Frühstück. Und Sie, Eloise, müssen dringend etwas mit Ihrem Haar machen vor Lord Mitfords Jubiläumsball.“
„Was für ein Ball?“, fragte Eloise konsterniert.
Thalia bedachte sie mit einem anhaltenden Leidensblick. „Das habe ich Ihnen bereits vor Wochen mitgeteilt. Lady Heaton und ihr Bruder begleiten uns zu diesem Ball. Sie waren es doch, die darauf beharrte, dass ich die Einladung annehme.“
„Das sollten Sie auch tun“, entgegnete Eloise. „Aber ich habe nichts Passendes anzuziehen.“ Im Übrigen verspürte sie nicht die geringste Lust, schon wieder einen Abend lang auf einem harten Stuhl zu sitzen und sich die Klagen der alten Jungfern über ihre Wehwehchen anzuhören.
„Ich borge Ihnen ein Kleid“, erklärte Thalia leichthin. „In die rote Robe mit den Mohnblüten passe ich zweimal hinein. Wenn wir alle Abnäher herauslassen, könnte es Ihnen gut zu Gesicht stehen.“
„Lady Heaton wird Sie doch begleiten“, wandte Eloise ein. „Eine gute Gelegenheit, Ihre Schwiegermutter vor der Hochzeit näher kennenzulernen. Ich würde dabei doch nur stören.“
Thalia stemmte die Hände in die Hüften. „Aber Sie sind meine Gouvernante und werden dafür bezahlt.“
„Wir haben seit einem Monat kein Geld mehr bekommen“, mischte Freddie sich ein, der Eloises warnenden Blick ignorierte.
„Ist das wahr?“ Thalias Augen füllten sich mit Tränen, ihre Nasenflügel bebten. „Das wusste ich ja gar nicht. Lady Heaton ist gewiss bereit, euch den Lohn zu bezahlen.“
Eloises Groll schmolz wie Schnee in der Aprilsonne. Welch tröstliche Überraschung, dass die verwöhnte Thalia Anzeichen zeigte, eine mitfühlende junge Frau zu werden. „Das ist sehr freundlich. Ich würde nicht um meinetwegen darum bitten, aber für die anderen …“
„Gut, das wäre geklärt“, stellte Thalia fest und rieb sich die Nasenspitze. „Sie können Lady Heaton selbst fragen. Ich will ohnehin nicht den ganzen Abend mit ihr verbringen. Sie langweilt mich zu Tode.“
Eloise schaute entsetzt in die Runde, während Thalia hoch erhobenen Hauptes die Treppe hinaufging, um auf ihr Frühstück zu warten. „Ich fasse es nicht.“
Freddie schüttelte den Kopf. „Sie sind einfach zu gutmütig, Miss. Aber ein Abend in netter Gesellschaft bringt Ihnen etwas Abwechslung. Es muss ja langweilig sein, Ihre freien Stunden auf dem alten Sofa zu verbringen.“
Eloises Blick flog zu besagtem alten Sofa. Ein verbotenes Bild tauchte vor ihrem inneren Auge auf, bevor sie es verscheuchen konnte. Drakes dunkler Lockenkopf zwischen ihren gespreizten Schenkeln, seine blauen Augen trunken vor Leidenschaft. Oh, wenn Freddie wüsste! Auf diesem alten Sofa hatte sie nie gekannte Freuden erlebt.
Im ersten Stock wurde eine Tür aufgerissen. Thalias schrille Stimme gellte durchs Haus. „El-ooo-iiise! Ich dachte, Sie wollen mir beim Sortieren der Kleider helfen. Kommen Sie augenblicklich nach oben. Ich brauche Sie!“
„Mist!“, knurrte Freddie. „Ich hätte gute Lust, sie übers Knie zu legen
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