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Ein Band aus Wasser

Ein Band aus Wasser

Titel: Ein Band aus Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
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Seele einen Kater. Was hatte ich nur getan?
    Ich stellte den Tee auf den Nachttisch und kroch zurück unter die Decke. Gott sei Dank fiel die Schule aus – das Universum hatte ein Einsehen mit mir. Ich wollte ein Jahr lang schlafen, aufzuwachen und wieder ein ganz normales Leben haben, wie vorher.
    Ich fühlte, wie Thais sich näherte, hörte ihre Schritte auf der Treppe. Als sie hereinkam und sich vorsichtig auf mein Bett setzte, schloss ich die Augen. Sollte sie eine Ahnung haben, dass ich bei Daedalus Unterricht genommen hatte, würde sie unfassbar wütend sein. Und schlimmer noch, sehr verletzt.
    » Wo warst du gestern Abend?«, fragte sie.
    Ich öffnete die Augen. » Bei Racey, das habe ich dir doch schon gesagt.«
    Sie nickte. Ich hatte keine Ahnung, ob sie mir glaubte oder nicht.
    » Schlimm, das mit Lucs Gesicht«, fügte sie hinzu.
    Ich bemerkte den Ausdruck auf ihrem Gesicht, der wachsam aussah. Wie meiner vermutlich auch.
    » Ja. Der Bastard.«
    » Ja. Wie auch immer, Petra scheint es nur für etwas Vorübergehendes zu halten. Aber …« Ihre stechenden grünen Augen blickten plötzlich in meine. » Richard. Ich glaube, er steht auf dich.«
    » Was?«, kreischte ich. Mein Herz begann zu rasen. » Wovon redest du?! Richard und ich können uns nicht ausstehen.«
    Außer wenn wir aneinander klebten, unsere Münder miteinander verschmolzen und unsere Hände überall hinwanderten, unter die Kleidung des anderen schlüpften … Doch das wusste Thais nicht. Niemand außer mir und ihm wusste davon.
    » Ich weiß nicht«, erwiderte sie beharrlich. » Gestern habe ich gesehen, wie er dich angeschaut hat. Er sah aus, als … als wollte er dich am liebsten auffressen.«
    » Ich habe wirklich keinen Dunst, wovon du redest«, bluffte ich. » Er kann mich nicht leiden. Und ich ihn auch nicht. Er ist so … eingebildet. Allein dieses spöttische Gegrinse!«
    » Ja«, erwiderte Thais nachdenklich. » Aber beobachte ihn mal, wenn er das nächste Mal hier ist. Bin gespannt, ob dir was auffällt.« Sie erhob sich. » Kaum zu glauben, dass wir keine Schule haben! Ich gehe dann mal. Petra sieht immer noch ziemlich angeschlagen aus. Mal sehen, ob sie irgendetwas braucht. Was ist mit dir? Magst du ein Ginger Ale oder so?«
    » Nein, danke, ich hab ja das hier«, sagte ich und deutete auf den Tee. » Was hast du denn jetzt vor?«
    » Na, einkaufen gehen und so Zeug halt«, erwiderte sie vage, während sie zur Tür lief. » Hoffe, dir geht’s bald besser. Bis später.«
    » Okay.« Als sie weg war, kuschelte ich mich wieder unter die Decke und versuchte, nicht zu weinen, denn ich wusste, dass ich mich dann nur noch schlechter fühlen würde.
    Thais dachte also, Richard würde auf mich stehen. Ein Bild kam mir in den Sinn, wie ich unter ihm auf dem kühlen Holzboden seines Apartments lag, nachdem ich wütend und ohne Erfolg versucht hatte, ihn so richtig fertigzumachen. Nach dem Hauen, Schreien und Weinen hatte ich wie ein Wäschesack herumgelegen, und er hatte gesagt: » Ich liebe niemanden, auch dich nicht. Aber ich sehe, was du wert bist, wie unglaublich viel du wert bist, mehr als jeder, den ich je gekannt habe.«
    Jetzt, hier in meinem Bett, mit dem Wissen, was ich gestern Abend getan hatte, wie ich mir etwas Wunderschönes zu eigen gemacht und es durch und durch zerstört hatte, fing ich leise an zu weinen. Richard hatte unrecht. Im Moment fühlte ich mich vollkommen wertlos.

Kapitel 7
    Thais
    So etwas wie das Botanika gab es in Welsford nicht. Ich war mir sicher, dass in Connecticut ein paar okkultistische Literaturcafés existierten, aber ich hatte noch nie eins davon besucht. Ich fühlte mich nicht so richtig wohl hier und irgendwie kam ich mir unter all den Nasenpiercings, Dreadlocks und pink und blau gefärbten Haaren immer noch wie eine Hochstaplerin vor. Es gab durchaus ein paar Leute, die normal aussahen. Trotzdem war ich hier so ziemlich die langweiligste Person weit und breit.
    Das Botanika war fast einen Block lang und nahm die halbe Vorderfront eines Gebäudes ein, das aussah, als wäre es in den 30er-Jahren mal ein Kaufhaus gewesen. Riesige, hoch aufragende Glasfenster blickten auf die Straße, und dahinter konnte man noch gut erkennen, wie es vor achtzig Jahren wahrscheinlich einmal ausgesehen hatte. Unter der Decke hingen große formgeprägte Blechplatten, die in einem dunklen Kupferton gestrichen waren und an denen ein Gestänge befestigt war, das die Ventilatoren trug. Hohe Pfeiler stützten die Decke, die

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