Ein Band aus Wasser
Die Kraft von Cerises Leben ist es, die euch über all die Jahre am Leben gehalten hat. Du blöder Idiot .«
Daedalus glotzte mich aus blutunterlaufenen Augen an. Sein Gesicht war totenbleich.
» Nein … du hast unrecht«, beharrte er. » Du weißt rein gar nichts darüber.«
» Ich habe recht«, sagte ich fest. Ich fühlte mich wie der Tod selbst. » Cerise ist für eure Unsterblichkeit gestorben, so wie diese armen Vögel hier gestorben sind, um uns Kraft zu schenken.« Ich begann zu weinen. Schluchzer ließen meine Brust erbeben und drohten, meinen Hals zerspringen zu lassen.
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Daedalus erstarrte. Als ich meinen Blick scharf stellte, bemerkte ich die Verwirrung, die sich auf seinem Gesicht abzeichnete.
» Wa…«, sagte er schwach.
Mit großer Mühe wandte ich den Kopf. Und erblickte Thais, meine Schwester, die mit einem Zauberstab in der Hand auf uns zukam.
Kapitel 33
Thais
Als mir der erste Spatz auf die Schulter fiel, machte ich einen Satz und keuchte. Beim zweiten Mal prallte der kleine Vogel an meiner Schulter ab. Ich fing ihn mit den Händen auf.
Es war ein kleiner brauner Vogel, undefinierbar, die Art, von denen du in deinem Leben Tausende siehst. Nichts Besonderes. Seine Augen waren geschlossen, die Füßchen verkrümmt, die Federn weich und leicht und warm – ein schönes Geschöpf. In meinen Händen fühlte er sich so grotesk und abstoßend an wie der kleine Regenwurm, dem ich die Kräfte genommen hatte. Ich unterdrückte einen Aufschrei und ließ ihn fallen. Dann sah ich, dass immer mehr Vögel wie Regen auf die Erde fielen, wie langsame, gefiederte Tropfen, die auf die nassen Blätter platschten.
Was in Gottes Namen ging da vor sich?
Ich rannte weiter und versuchte nicht länger, leise zu sein. Ich hatte Daedalus’ Wagen ziemlich leicht folgen können, hatte dann außer Sichtweite geparkt und war hintenherum zu dem Aschering gelangt.
Nun war es so weit. Clio würde mir nie vergeben, aber es war einfach die perfekte Gelegenheit. Carmela glaubte nicht, dass ich schon so weit war, doch das war ich. Ich hatte die Grundform des Zaubers gelernt und eine Kurzformel kreiert, die ich statt des Regenwurms dort einbauen würde.
Der Tod war überall. Das Morgenlicht beschien die starren Tierkörper. Ich verlor den Überblick, wie viele Vögel um mich herum auf die Erde fielen, und versuchte nur, nicht auf sie draufzutreten. Es war ein Albtraum, so trostlos und so schrecklich, dass ich glaubte, diesen Wald nie wieder unbelastet betreten zu können.
Vor allem nicht, wenn ich mein Vorhaben in die Tat umgesetzt hatte.
Am Rande der Lichtung blieb ich stehen. Ich hörte Clio weinen und etwas über die Vögel sagen. Ich sah, wie Daedalus sie packte und kräftig schüttelte. Während ich versuchte, meine Wut im Zaum zu halten, begann ich mit dem Zauber. Er war lang, und bei all den Begrenzungen und angesichts der Tatsache, dass ich Clio ausschließen musste, dauerte die Vorbereitung ein paar Minuten. Auch als sich Clio schluchzend auf die Erde fallen ließ und ich nichts lieber getan hätte, als zu ihr zu laufen, sang ich ganz leise weiter. Dann fiel Daedalus auf alle viere. Dumpf drang zu mir vor, wie Clio etwas über Cerise sagte, doch ich war nicht in der Lage, es zu verarbeiten. Ich war bereit. Ich hielt meinen Zauberstab auf Daedalus gerichtet und streckte meine linke Hand aus, um die ein schwarzer Seidenfaden gewickelt war.
Ich trat aus den Bäumen hervor und lief auf ihn zu. Er fühlte es, sah überrascht auf. Mit nur vier Worten traf ich ihn mit meinem Fesselzauber, während ich den schwarzen Faden fester um meine Hand wickelte. Er erstarrte. Etwas in mir konnte nicht glauben, dass es tatsächlich funktionierte.
Unerschütterlich machte ich weiter, webte meinen Zauber Vers um Vers, Satz für Satz. Dabei malte ich die Rune für » Sieg in der Schlacht« in die Luft sowie die, die für » Erstarrung«, » Hindernis« und » Verzögerung« stand. Mit der ganzen Hand, um die der Faden gewunden war und die den Zauber an diesen Ort band und meine Stärke hier und jetzt festigte, malte ich riesige Sigillen in die Luft.
» Thais?«, fragte Clio mit brüchiger Stimme und versuchte aufzustehen. » Was machst du da?«
Ich konnte nicht antworten. Daedalus’ Augen waren weit aufgerissen. Er hatte begriffen, was ich tat. Ich spürte, wie er versuchte, sich zu bewegen, sich wie ein Insekt aus einem Spinnennetz zu befreien, doch ich hielt ihn dort gefangen. Ich dachte daran,
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