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Ein besonderer Junge

Ein besonderer Junge

Titel: Ein besonderer Junge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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hinter ihm hergelaufen und haben ihn schließlich auf sein Zimmer geschickt, damit er sich beruhigt.«
    Helena, offenbar sehr mitgenommen, fügte hinzu:
    »Er ist ständig ausgebüxt, als ob er Sie suchte!«
    Gleichzeitig leerten sie ihre Tassen, und Jérome rief mit einem Seufzer:
    »Zum Glück hört das alles jetzt auf, es würde uns sonst noch das Leben kosten   …«
    Helena, den Tränen nahe, stoppte ihren Mann, indem sie Druck auf seinen Arm ausübte, und er fasste sich wieder:
    »Helena wird Ihnen alles erklären   …, es war jedenfalls nichts anderes mehr möglich.«
    Er musste los, stand auf, um sich zu verabschieden, und empfahl mir, mich weiterhin in der Weise um Iannis zu kümmern, wie ich es bisher getan hatte: Sein Sohn hänge offenbar sehr an mir. Er schob mir einen Umschlag zu.
    »Für diesen Monat   …, alles Weitere sehen wir.«
    Im Stockwerk darüber hatten Iannis’ Schreie aufgehört, sicher wippte er wieder hin und her, eine Hand im Mund. Sein Vater ging zur Treppe.
    »Ich werde mich von ihm verabschieden, wenn das überhaupt etwas für ihn bedeutet.«
    Helena blieb am Küchentisch sitzen, spielte mit ihrer leeren Tasse, ihr Blick war abwesend, und als Jérôme wieder herunterkam, begleitete sie ihn zum Wagen.
    Wie ich vorausgesehen hatte, befand sich Iannis in der Mitte seines Zimmers, gewiegt von einer regelmäßigen Pendelbewegung, die aufhörte, sobald er mich ins Zimmer kommen hörte. Seit meiner Ankunft hatte ich ihn nie weinen sehen: An diesem Abend, während ich ihn für die Nacht fertig machte, wischte ich ihm eine Träne ab, die über seine Wange rollte, ohne dass sich in seinem Gesicht irgendein Kummer ausdrückte. Er war besonders folgsam, ließ sich ohne Schwierigkeiten baden und aß zum ersten Mal sein Abendessen, ohne sein Essen rund um den Teller zu verteilen.

 
    Helena wartete unten auf mich, und ich erkannte an ihrem Gesichtsausdruck, dass dieser Abend den vorausgegangenen in keiner Weise gleichen würde. Sie wirkte wie am Boden zerstört. Regelmäßig fiel die Asche ihrer Zigarette auf den Couchtisch, und mit einer mechanischen Handbewegung strich sie sich immer wieder eine Haarsträhne aus dem Gesicht, die sich aus ihrer Haarspange gelöst hatte. Einsilbig teilte sie mir mit, welche Nachricht ihr Mann für eine großartige Überraschung gehalten hatte: Die Einrichtung in Belgien, wo Iannis auf der Warteliste stand, hatte angerufen, um mitzuteilen, dass ein Platz frei würde. Weit entfernt, Helena zu erfreuen, war diese Aussicht für sie niederschmetternd. Auch mir versetzte diese Ankündigung einen Stoß: Das Ende meiner Tätigkeit nahte, bald würde ich Iannis nicht mehr sehen.
    Helena hatte anderes im Kopf, als uns die üblichen alkoholischen Getränke zu servieren.
    »Ich weiß, es muss sein, doch ich kann mir ein Leben ohne meinen Sohn nicht vorstellen. An manchen Tagenkönnte ich ihn umbringen, da ist er mir absolut unerträglich, aber sehen Sie, Louis, wenn man mir vorschlägt, ihn wegzugeben, dann merke ich, dass ich nicht auf ihn verzichten kann.«
    Was sollte ich ihr anderes antworten, als dass ich dieses Gefühl nur zu gut verstand? Die Aussicht, mich nicht mehr um Iannis kümmern zu müssen, brachte mir keine Erleichterung, im Gegenteil.
    »Selbstverständlich werde ich es nicht ablehnen, das wäre Irrsinn und würde für uns alle drei eine Katastrophe bedeuten. Belgien ist nicht das Ende der Welt, aber   … man muss über eine Grenze. Seltsam, welche Bedeutung das für mich bekommt, denn eigentlich wird er weniger weit weg sein, als wenn er ins Larzac ginge   … und außerdem   …«
    Sie unterbrach sich, unterdrückte ein Schluchzen.
    »Nur einmal im Monat organisieren sie Fahrten nach Paris, für ein Wochenende! Iannis einen ganzen Monat in einem Schlafsaal mit Jugendlichen, die genauso eine Macke haben wie er, wenn nicht gar schlimmer, und umgeben von Erwachsenen, die er nicht kennt   …«
    Sie holte eine Zigarette aus ihrem Päckchen, dann bemerkte sie die, die bereits zwischen ihren Fingern brannte, und stieß ihr bitteres leises Lachen aus. Zum ersten Mal sah ich sie so wehrlos, deshalb nahm ich sie in die Arme, ohne mich um die möglichen Folgen dieser Geste zu sorgen. Sie flüchtete sich in meine Umarmung und weinte lange, schluchzte dabei wie ein kleines Mädchen. Dann befreite sie sich aus meinen Armen.
    »Man kann Iannis nicht lieben wie jedes andere Kind, dasist unmöglich. Man liebt ihn mehr, oder man lehnt ihn ab. Er tut einem weh, er

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