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Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs

Titel: Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Bourdain
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früheres, dümmeres Ich vor dem Fernseher saß und zusah, wie Emeril Zahnpasta verscherbelte und Rachael Dunkin’ Donuts und Ritz Crackers anpries. Verständnislos und mit offenem Mund dachte ich bei mir: »Warum gibt sich jemand, der schon Millionen macht, für ein paar zusätzliche Millionen mit so einem Mist ab? Ich meine, es ist doch ein bisschen peinlich, sein Gesicht für Dunkin’ Donats herzugeben, wo so viele Kinder die Sendungen anschauen und der Typ-2-Diabetes schon jetzt explosionsartig zunimmt.… Es muss doch eine Grenze geben, die man einfach nicht überschreitet, oder?«
    Später, hinter der Bühne der Sendung Top Chef , stellte ich meinen Kollegen Küchenchefs ebendiese Frage. Wir warteten darauf, dass das Kamerateam die nächste Einstellung aufbaute, und ich unterhielt mich mit zwei Köchen, die erheblich
mehr konnten, kreativer und versierter waren als ich und demnach anders als ich tatsächlich einen Ruf zu verlieren hatten. Wo zieht man die Grenze?, fragte ich sie. Sie verglichen gerade, welche Luftlinie ihnen für eine »Menüberatung« am meisten Gratismeilen einräumte und für welche Produkte es wie viel Geld gab. Zu keinem Produkt hörte ich die Aussage: »Burger King: Nie. Mals! Keine Chance!« oder, nach einer nachdenklichen Pause: »Okay, hm, mal überlegen. Gleitgel? Nein, ist mir egal, wie viel Geld die mir bieten. Dafür mache ich keine Werbung!« Deshalb warf ich die Frage ein: »Wo genau ist für euch denn die Grenze?«
    Die beiden sahen mich an, als hinge mir ein verkümmerter Zwilling am Hals. Mitleidig. Sie machten sich sogar lustig über mich.
    »Du willst wissen, wie viel du hinblättern musst, damit ich einen Popel esse?«, fragte der eine in einem Tonfall, als habe er es mit einem Kleinkind zu tun. Die beiden setzten ihr Gespräch fort, verglichen Limos mit Tiefkühlpizzen, als wäre ich gar nicht mehr da. Es war ein Gespräch unter Erwachsenen, so viel war klar, und ich war in ihren Augen zu unbedarft, zu dumm, zu unerfahren, als dass ich hätte mitreden können.
    Sie hatten recht. Was redete ich da nur?
    Die Vorstellung, dass man »sich verkauft«, ist ja auch reichlich bizarr. Wann genau ist der Punkt gekommen, an dem man sich verkauft? Für den durchschnittlichen weißen Möchtegernanarchisten mit Rastalocken, der eine Band gründen und »sich selbst treu bleiben« will, während er auf Mamis und Papis Scheck wartet, heißt sich verkaufen, sich einen Job zu besorgen.

    Wenn Leute morgens früher aufstehen, als ihnen lieb ist, durch die halbe Stadt fahren und für Leute, die sie nicht besonders mögen, Arbeiten erledigen, die sie in ihrer Freizeit niemals freiwillig machen würden, verkaufen sie sich - sei es, dass sie in einem Kohlebergwerk schuften, bei Popeyes Käsemakkaroni aufwärmen oder im Hinterzimmer eines Stripclubs Kunden einen runterholen. Für mich sind sie moralisch alle auf einer Ebene. Man tut, was man tun muss, um über die Runden zu kommen. Es ist zwar mit einem gewissen Stigma verbunden, wenn man einem Fremden den Schwanz lutscht - was wohl mit spezifisch westlichen Vorstellungen von Intimität und Religion zusammenhängt -, doch was ist daran anders oder schlimmer oder »unrechter«, als wenn jemand Toiletten putzt, einen Schlachthausboden abspritzt, Warzen wegbrennt oder Werbung für Coke light macht? Wer würde sich, wenn er nicht müsste, für irgendeine dieser Tätigkeiten entscheiden?
    Wem auf dieser Welt gelingt es, nur das zu tun, was sich mit den eigenen Wünschen oder Prinzipien vereinbaren lässt, und dafür auch noch bezahlt zu werden?
    Na ja, mir vielleicht, bis vor Kurzem jedenfalls.
    Aber Moment mal. Wenn ich ein Interview gab und Werbung für Geständnisse eines Küchenchefs machte, verkaufte ich mich ja auch, oder? Ich tat das nicht den Journalisten zuliebe, weder für Matt Lower noch Bryant Gumbel noch sonst jemandem. Warum war ich so nett zu ihnen? Inwiefern unterschied ich mich von der gewöhnlichen Hure, wo ich doch Minuten, Stunden, ja Wochen meiner rasch schwindenden Lebenszeit darauf verwendete, mit Leuten Süßholz zu raspeln, die ich nicht einmal kannte? Wenn man Sex verkauft,
gibt es Bares auf die Hand. Man nimmt sein Geld, geht nach Hause, stellt sich unter die Dusche, und weg ist es - hat man doch emotional nicht mehr investiert als für die morgendliche Klositzung. Aber was ist mit den vielen Wochen, in denen ich genickt, gelächelt, ein Lachen vorgetäuscht, dieselben Geschichten erzählt, dieselben Antworten gegeben habe,

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