Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs
Besten. Das heißt, dass man im Le Bernardin die Fische nicht zerlegt wie in anderen Restaurants. Hier gelten andere Standards. Die Erwartungen an einen Brocken Protein sind … deutlich höher.
Justo stammt aus der Dominikanischen Republik. Er wuchs als mittlerer Bruder von dreien in einer Familie mit sieben Kindern auf. Sein Vater war Bauer - er baute Kaffee und Kokosnüsse an. Die Familie zog ein paar Schweine auf, um sie zu verkaufen, und hielt Hühner für den Eigenbedarf. Als Kind ging Justo zur Schule und half danach auf
dem Hof. Später arbeitete er als Verkäufer in der Bäckerei seines Onkels - von sechs Uhr morgens bis zehn Uhr abends, jeden Tag. Er lernte nie backen.
Heute ist er siebenundvierzig Jahre alt und arbeitet seit zwanzig Jahren in New Yorker Restaurants - zuerst nicht ganz legal, aber schon bald mit Aufenthaltsgenehmigung und schließlich als Staatsbürger. Er hat drei Kinder, der Älteste ist zwanzig und geht aufs College. Im Le Bernardin bekommt er ein Gehalt, das gemessen an der üblichen Bezahlung in der Branche als spektakulär gilt - nahe an dem, was ich in meinen besten Jahren als Küchenchef verdiente. Wie alle Angestellten des Restaurants ist er voll krankenversichert. Einmal im Jahr macht er vier Wochen Urlaub in seiner alten Heimat, der Dominikanischen Republik. Für die Branche unüblich, hat Justo keine festen Arbeitszeiten. Er geht, wenn er es für richtig hält - nämlich wenn er fertig ist.
Er kam vor sechs Jahren ins Le Bernardin, weil er viel Gutes über das Restaurant gehört hatte, als er auf der anderen Straßenseite im Palio arbeitete. »Dort sagten sie nicht einmal ›Guten Morgen‹«, sagt er kopfschüttelnd.
»Der Chef behandelt alle gleich«, sagt er stolz und fügt hinzu, dass er sich nach einem sicheren Job umgesehen hätte. »Ich wechsle nicht gern hin und her.« Und im Le Bernardin arbeitet er »für sich allein«, was in der Branche nahezu einzigartig ist. Justo Thomas genießt ein Maß an Unabhängigkeit und Eigenverantwortung, wie es seine Kollegen nicht kennen.
Der Raum, in dem er arbeitet, ist ein drei Meter auf eineinhalb Meter großer Ableger des Gangs, wo die Lieferungen,
die an der Ladefläche der Tiefgarage im Prudential Building an der 51 st Street eintreffen, durchgeschoben werden. Justo arbeitet direkt neben dem winzigen Büro des Stewards, Fernando, nur wenige Meter vom Aufzug zur oberen Küche. Justo hat einen Arbeitstisch, der mit Schneidebrettern bedeckt ist, ein Regal, auf dem sich durchsichtige Plastikschalen stapeln, und noch ein kleineres Regal in etwa einem Meter Höhe, wo er eine kleine elektronische Waage und mehrere Spitzzangen aufbewahrt. Auf der anderen Seite des Raums befindet sich eine Spüle mit zwei Becken. Die Wände sind seltsamerweise mit Plastikfolie verkleidet - so wie wahrscheinlich ein Serienmörder seinen Keller präparieren würde -, um sie leichter reinigen zu können. Am Ende der Schicht wird das Plastik natürlich heruntergenommen. Justo hat es gern, wenn alles sauber und organisiert ist.
In jeder bereitgestellten Plastikschale liegt ein Abtropfgitter, damit der Fisch nicht in Flüssigkeit liegt. Justos Messer - ein nicht sonderlich teures Tranchiermesser (normalerweise für Braten), ein billiges Kochmesser aus rostfreiem Edelstahl, ein schwer abgenutztes flexibles Filetiermesser (von dessen Klinge nur noch ein guter Zentimeter übrig ist) und ein persönlich für ihn angefertigtes Messer mit gebogener Klinge - liegen vor ihm auf Kniehöhe auf einem sauberen Handtuch. An einem Nagel hinter ihm hängt eine Rolle mit leuchtend roten Schildchen, auf denen MITTWOCH steht. Auf jede Schale mit Fisch, den er heute vorbereitet, klebt er so ein Schildchen, damit die Köche oben mit einem Blick erkennen, welche Portionen sie zuerst nehmen sollen und von wann sie sind. An der linken Hand trägt Justo einen leuchtend gelben Plastikhandschuh, weil er den Fisch nicht
gern anfasst. Man merkt schnell, wenn man Justo Thomas beobachtet, dass er Keime fürchtet wie die Pest.
Das Konzept der Kreuzkontamination hat einen nachhaltigen Eindruck bei ihm hinterlassen. Wenn er sein Schneidebrett mit einem feuchten Handtuch abwischt, wirft er das Tuch danach weg. Jedes Mal.
Er ist ein Mensch mit festen Gewohnheiten. Er hat seine Zeit und seinen Arbeitsplatz so organisiert, wie es ihm zusagt. Er hat Routine und feste Arbeitsabläufe. Davon weicht er nie ab.
»Bei Justo«, sagt Chris Muller, der Küchenchef des Le Bernardin, der gerade zur
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