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Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs

Titel: Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Bourdain
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ertragen - geschweige denn mit ansehen - können. Ich musste weg. Ich hatte genug. Sollte sie doch ihren Hintern selber aus diesem Scheißsturm retten, der sich gerade zum Orkan auswuchs.
    Genau das teilte ich ihr noch mit, ehe ich aus dem Restaurant hinaus auf die Straße taumelte. Ich packte meine Tasche, buchte an der Rezeption vorsorglich zwei weitere Nächte für sie und ging dann zu Fuß die eineinhalb Kilometer zum Flugplatz, wo ich die Nacht auf einer Bank verbrachte. Ich nahm den ersten Flug, der mich in zehn Minuten auf meine altbekannte - und entschieden freundlichere - Insel brachte.
    Ich holte mein Mietauto am Langzeitparkplatz ab und fuhr dankbar nach Hause, wo ich mich sofort zusammenrollte und vierundzwanzig Stunden lang schlief wie ein Toter.
    Ich blieb im Haus, mied für den Rest meines Aufenthalts Bars, Bordelle und sogar Badestrände. Mir reichte es. Ich
hatte Dem Bösen ins Antlitz geblickt, und es hatte mich bis ins Mark erschüttert. Ich weiß nicht, ob es etwas war, das ich auf St. Barths gesehen hatte, oder etwas, das mir im schlimmsten Jahr meines Lebens aus dem Spiegel entgegenstarrte - jedenfalls musste sich etwas ändern.
    Das wusste ich nun.

Allein am Tresen
    M anchmal nennt mich jemand »Küchenchef«. Immer noch.
    Wenn ich das auf der Straße jemanden rufen höre, drehe ich mich heute noch um. Neun Jahre ist es her, seit ich das letzte Mal eine Pfanne zur Hand genommen habe, und immer noch wirble ich unwillkürlich herum, wenn jemand diese Anrede benutzt. Natürlich trifft sie nicht mehr zu. Ich bin kein Küchenchef mehr. Trotzdem macht sie mich glücklich, wenn ich sie höre.
    Es hat etwas Wunderbares, nachmittags einen trinken zu gehen. Ein nicht zu kaltes Bier, ganz allein in der Bar, sogar in diesem unechten irischen Pub. Er ist ganz neu, soll aber alt aussehen. So eine Erin Go Bragh-Scheiße. Auf vier Flachbildschirmen laufen Sportreportagen ohne Ton, die mich nicht interessieren. Der typische irische Schnickschnack, der lastwagenweise verkauft wird. Ich stelle mir vor, wie in diesem Augenblick Männer mit leeren Umzugslastwagen durch Irland ziehen und nur darauf warten, dass die alte Mrs Meagher tot über ihrem Black Pudding zusammenbricht und sie den Inhalt ihrer Kuriositätenregale aufkaufen können.
Um den Plunder auf direktem Wege an einen Großhändler liefern, der ihn auf Instantpubs in New York, Milwaukee, Singapur und Verona verteilt.
    Natürlich war ich schon mal in dieser Bar. Wie wir alle. Trotzdem bin ich merkwürdig, unerklärlich glücklich hier. Nicht einmal der Gestank des Desinfektionsmittels, der vom übersauberen Boden aufsteigt, die Fruchtfliegen, die über dem Beilagenbehälter schweben, können mich von meinem allgemeinen Wohlgefühl abbringen.
    Das Essen, wenn ich so dämlich wäre, danach zu fragen … na ja, ich weiß auch so, was auf der Karte steht. Gebackene Zucchini, gebackener Mozzarella und mit Sicherheit Calamari in roter Sauce. Weiter unten folgt bestimmt lieblos zubereiteter Shepherd’s Pie, French-Dip-Sandwich, also warmes Roastbeef mit versalzener Instantbratensoße, ein Burger mit einer schlappen sauren Gurke, einer Scheibe unreifer Tomate und Pommes aus der Tiefkühltruhe. Würstchen und Kartoffelbrei, und vielleicht gibt es noch den glitschigen Abklatsch eines Irish Stew, mit zu magerem Lamm und zu viel Kartoffel. Und wie sieht es mit Meeresfrüchten aus? Außer dir will das keiner, Paddy.
    Der Barkeeper ist Ire. Kam vor zehn Jahren mit einem Studentenvisum, hat aber nichts zu befürchten.
    Der Koch dagegen ist Mexikaner. Ein armer Schlucker, der zehn Dollar in der Stunde bekommt und wahrscheinlich auch noch abwaschen muss. Für den interessiert sich la Migra , die Einwanderungsbehörde. Falls denen sein Topfschnitt auffällt, wenn er auf dem Heimweg nach Queens ist, kriegt er ein Problem. Er sieht anders aus als die Iren und die Kanadier, und auf CNN fordert Lou Dobbs jeden Abend
seinen Kopf. Übrigens fällt doch auf, dass die Nordgrenze der USA Dobbs nie Sorgen macht. Vielleicht macht ihm ja das »Weiß« in »The Great White North« diese »Superautobahn der Ausländer« erträglich. Der Koch in der irischen Bar dagegen hat noch damit zu kämpfen, dass am Ausgang der U-Bahn Typen auf ihn lauern, wenn er freitags an einem Zahltag nach Hause kommt. Seinen Scheck hat er wie immer in der Wechselstube eingelöst. Er ist relativ klein und ruft wahrscheinlich nicht gerade die Polizei. Das perfekte Opfer.
    Der Typ, der mir die Drinks serviert,

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