Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs
Können und guter Beziehungen würdig erscheinen, nach der Schule eine Empfehlung für eine der großen Küchen Europas oder New Yorks zu erhalten, verdienen Sie in den ersten Jahren wahrscheinlich keinen Cent. Nach Abzug der Lebenshaltungskosten zahlen Sie vermutlich sogar drauf .
Sollten Sie aber das Glück haben, als einer von einer Million junger Köche in einem berühmten und anerkannten
Restaurant wie zum Beispiel dem Arzak in Spanien angenommen zu werden, dann sind Zeit und Geld wahrlich gut investiert. Bringen Sie gute Leistung, werden Sie nach Ihrer Rückkehr nie wieder einen Lebenslauf schreiben müssen. In diesem Fall sind Zeit, Geld und Arbeit die Investition wert.
Doch gleich nach Ihrem Abschluss an der Kochschule stehen Sie - es sei denn, Sie haben großzügige Eltern oder einen dicken Sparstrumpf - schon mit dem Rücken zur Wand. Die zwei fast unbezahlten Wanderjahre durch Europa oder New York, in denen Sie von den Meistern lernen könnten, können Sie sich nicht leisten. Sie müssen ja JETZT Geld verdienen. Wenn dem so ist, wenn Sie sofort arbeiten müssen, für jeden, der Sie einstellt, wenn also Ihr Karrierebeginn vom Faktor Geld bestimmt wird, dann werden Sie sich schwertun, dieser Tretmühle je wieder zu entkommen. Je höher Ihr Gehalt direkt nach der Schule, desto unwahrscheinlicher ist es, dass Sie noch in einer der großen Küchen der Welt zum Einsatz kommen. Ihre Zeit bei Applebee’s sichert Ihnen Ihr Auskommen, aber in Ihrem Lebenslauf erwähnen Sie sie besser nicht, wenn Sie es je in eine Spitzenküche schaffen wollen. Genauso gut hätten Sie nie dort arbeiten können.
Und wie ist es mit Country-Clubs und Hotelküchen? Für einen Schulabgänger sind das die wahrscheinlichsten Arbeitgeber, und sie versprechen eine anständige, einigermaßen stabile Laufbahn, wenn man gut arbeitet. Man führt ein angenehmes Leben, mit vernünftigen Arbeitszeiten und Arbeitsbedingungen (anders als in den meisten Restaurantküchen), und die meisten Hotels und Country-Clubs bieten
den erheblichen Vorteil einer Kranken- und Sozialversicherung. Doch man kann diesen Teil der Branche mit der Mafia vergleichen: Hat man sich erst in die warme Umarmung dieser Institution begeben, verlässt man sie wahrscheinlich nicht wieder. Einmal drin, kommt man so gut wie nie wieder raus.
Wenn es Sie interessiert, beobachten Sie einmal Küchenchefs auf Gourmet- und Weinmessen oder wenn sie nach der Arbeit noch einen trinken gehen. Achten Sie einmal darauf, wie sich die Chefköche aus dem Hotel oder dem Country-Club dem Rudel nähern. Kaum haben sie sich vorgestellt, werden die Augen der anderen Rudelmitglieder trübe. Diese Spezies wird von den Alphatieren links liegen gelassen. Da ihr Job und ihr Leben als bequemer und sicherer gelten, genießt sie auch geringeres Ansehen und weniger Respekt.
Sie könnten nach dem Abschluss natürlich auch den Weg des »privaten Küchenchefs« einschlagen. Sie müssen aber wissen, dass für Brancheninsider die Wörter »privat« und »Küchenchef« nicht zusammenpassen. Für einen echten Koch existiert eine solche Konstellation überhaupt nicht. Ein privater »Küchenchef« ist eine Haushaltshilfe. Punkt. Ein besserer Butler. In der Hackordnung noch unter dem »Foodstylisten« angesiedelt und knapp über dem »Berater«. Hier landen Idioten, die eine Menge Geld auf eine Kochausbildung verschwendet haben und dann feststellen müssen, dass sie es in der richtigen Welt zu nichts bringen.
Wie alt sind Sie?
Folgendes sagt Ihnen außer mir keiner:
Sie sind zweiunddreißig, denken über eine Laufbahn in Profiküchen nach und fragen sich, ob Sie zu alt sind?
Ich will Ihnen eine klare Antwort darauf geben: Ja. Sie sind zu alt.
Wenn Sie in Ihrem Alter noch Geld für eine Kochausbildung ausgeben wollen, tun Sie es am besten aus Liebe - einer Liebe übrigens, die sehr wahrscheinlich unerwidert bleibt.
Wenn Sie endlich Ihren Abschluss haben - mit vierunddreißig, selbst wenn Sie ein scheiß Escoffier sind -, bleiben Ihnen nur noch herzlich wenig Jahre, in denen Sie sich in einer echten Küche abrackern können. Das heißt, wenn Sie überhaupt das Glück haben, einen Job zu ergattern.
Mit vierunddreißig sind Sie für die anderen, natürlich viel, viel jüngeren, schnelleren und fitteren Kochkollegen »Opa« oder »Oma«. Der Küchenchef, der wahrscheinlich auch deutlich jünger ist als Sie, beäugt Sie mit Misstrauen, weil die Erfahrung ihn gelehrt hat, dass ältere Köche oft gefährlich
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