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Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs

Titel: Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Bourdain
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Hauptgang folgt wahlweise Hühnchen oder Fisch. Hühnchen heißt ein Schlegel, den Robèrt höchstpersönlich (der da drüben, der finstere, unrasierte Kerl ohne Hemd, der Schürze, Shorts und Flipflops trägt) bis zur Unkenntlichkeit verbrennt. Nur der vollständig verkohlte Zustand genügt seinem hohen Standard. Robèrt macht sich immer die Mühe, jedes einzelne Hühnchen zu ruinieren. Wer die Frechheit besitzt, sich im Voraus zum Grill zu begeben und anzuregen, den Schlegel diesmal vielleicht früher vom Feuer zu nehmen, findet sich alsbald auf der Straße wieder - gemeinsam mit Madonna.
    Die Fischalternative ist ein kleiner, schlecht geputzter Red Snapper, der mit einer ähnlichen Liebe zum Detail zubereitet wurde - sprich völlig verbrannt. Der Preis für diese Delikatessen? Jeweils fünfzig Euro.
    Addieren wir noch eine kühle Flasche billigsten Rosés (gegen die sommerliche Hitze und den Lagerfeuergeschmack im Mund), und das wären dann hundert Dollar fürs Mittagessen. Merci, und bücken Sie sich bitte bald wieder!
    Und trotzdem stehen sie an, betteln, schmieren, intrigieren, sichern sich flüsternd übers Handy den Einfluss von Freunden in St. Tropez, Punta del Este oder Rom, damit sie majestätisch an den weniger privilegierten Sterblichen vorübersegeln und triumphierend auf der Veranda des Olymp Platz nehmen können.
    Wenn die Redensart stimmt, nach der »hinter jedem großen Vermögen ein Verbrechen steckt«, dann haben sich viele der Gäste hier für ein paar Dollar jeder erdenklichen
Spielart kaltblütiger Vergehen schuldig gemacht: afrikanische Dörfer umgesiedelt, Täler geflutet, Wehrlose abgezockt, Brunnen vergiftet und Unbequeme entsorgt, wenn es die Umstände erforderten. Doch für Robèrt strecken sie bereitwillig den Hintern in die Luft. Und das ohne Gegenleistung.
    Das schreit geradezu nach der Frage: Warum?
    Mit dieser Frage ringe ich schon seit jener Zeit, am Anfang meiner Laufbahn, als ich im Luncheon-Club des Rockefeller Center, wo sich die Herren des Finanzuniversums zu jeder Tageszeit an unserem jämmerlichen Büfett bedienten, für das Auffüllen der Bain-Marie-Einsätze und Warmhaltebehälter verantwortlich war. Was, so fragte ich mich, veranlasst Menschen, die im Alleingang über das Schicksal ganzer Nationen entscheiden, Industriekapitäne, sagenhaft reiche Ehefrauen von Potentaten, Erben alter europäischer Familien, die nicht einmal mehr wissen, wo ihr Geld eigentlich herkommt, was veranlasst die Leute dazu, sich in das düstere Gefängnis des Lunch-Clubs zu hocken - oder mit Zähnen und Klauen und über die Leichen ihrer besten Freunde darum zu kämpfen, dass sie auf einem schäbigen Pooldeck grauenhaft und unanständig teuer essen können und sich nebenbei auch noch von einem Menschen ohne jegliche Position oder Autorität anmachen lassen, auf den sie unter normalen Umständen die Hunde gehetzt hätten, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken?
    Und warum akzeptiert man, wo wir gerade dabei sind, die lächerliche Fassade und die absurden Preise von Mr. Chow oder Philippe, Nello oder Cipriani, wo es doch ein paar Autominuten entfernt hundert bessere Restaurants gibt? In der
schrecklichen Woche auf St. Barths kam ich dahinter, dass diese umherreisenden Megareichen, die einander alle kennen, sich nach nichts mehr sehnen als nach der Behaglichkeit und der Sicherheit, die sich einstellt, wenn sie in derselben miserablen Spelunke sitzen wie alle anderen. Das erklärt vielleicht, warum sie auch alle dieselben lausigen Strände aufsuchen - schmale, steinige, herkömmliche Fleckchen mit stinkendem Sand, die für jeden einigermaßen erfahrenen Rucksacktouristen völlig inakzeptabel wären - und warum sie Restaurants besuchen, die jeder Gourmetfreak mit eigener Website und ein paar Dollar in der Tasche mit Grausen links liegen lassen würde.
    Versuchen Sie mal, auf chowhound.com oder anderen Online-Treffpunkten sachkundiger Gourmets die Vorzüge von Nello darzustellen. Man wird Sie pfählen. Warum also lassen sich Leute, die sich jedes Restaurant leisten könnten, Unsummen abknöpfen für eine Mahlzeit, die bestenfalls mittelmäßig ist?
    Als ich auf St. Barths einmal wieder halb besoffen im Mondlicht auf einer Chaiselongue lag, während sich im Hintergrund mehrere Gaddafis und ihre Gäste amüsierten, kam mir ein Gedanke. Vielleicht liegt es daran, dass sie so hässlich sind, diese »schönen« Menschen.
    Sie tragen dieselben hässlichen Kleider, entworfen von denselben frauenfeindlichen

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