Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs
weit dehnt - und geht dann mit dem ganzen Darm in die Masse hinein. Blitzschnell schiebt er mit der rechten Hand, die Handfläche zu einem Trichter geformt, das blutige, glitschige Zeug irgendwie in die Öffnung. Das tut er wieder und wieder, in atemberaubender Geschwindigkeit, und dabei frisst er sich über das Holzbrett wie ein Mähdrescher, der eine Schneise durch ein Maisfeld schlägt.
Derweil wächst zu seiner Linken eine lange, dralle Wurst, durch deren durchsichtigen Darm es dunkelrot glänzt. Ein Helfer dreht die Würste ab und fixiert sie an den Enden mit abgebrochenen Zahnstochern. In kürzester Zeit ist alles fertig.
Als die Würste in einer Dampfwolke aus dem Kessel geholt werden, schenkt man dir im kalten Hinterhof den fünften Sliwowitz ein. Jeder hier ist durchnässt und ein bisschen betrunken. Leute vom Land, hart im Nehmen, mit rauen Händen und Gesichtszügen. Ein kalter Sprühregen ist kein Grund, eine Mahlzeit auszulassen. Es gibt Gulasch, das mit Brotkanten aufgetunkt wird, Blutsuppe und Würste. Das ganze Schwein wurde verarbeitet. Doch die Blutwurst ist einsame Spitze, besser gesagt, sie spritzt, denn wenn man mit dem Messer hineinschneidet, explodiert sie auf dem Teller wie ein Schädel in einem Hollywoodfilm, der eine Kugel abkriegt, und wieder fällt dir Zola ein, der größte aller Küchenpornografen, und die wunderbare Szene in der charcuterie , in der unser tragisch absurder Held mitten in lächerlichem Überfluss hungert. Seine Schwiegerleute rühren Blut und Gewürze für boudin noir , füllen die Glasvitrine mit verführerisch beschriebenen Leckereien, die er aber nicht probieren darf.
Hier duftet es, wie es dort wohl gerochen haben muss: nach Blut und Zwiebeln, nach Paprika und einem Hauch Muskat, nach süßen Aromen, Sehnsucht … und Tod. Die Frau am Ende des Tisches, die mit dem Gesicht wie ein Betonpfeiler, beobachtet, wie du eine Sekunde lang genießerisch die Augen schließt, und sie lächelt.
Um sechs Uhr morgens kommen die pains raisins , und die Kunden stehen vor der ersten Lieferung im Dunkeln bereits vor der winzigen Pariser boulangerie Schlange. Die Baguettes sind fertig, kommen glühend heiß aus dem Backsteinofen, absichtlich hässlich und ungleichmäßig geformt, oben grob eingeschnitten. Zum Essen sind sie noch zu heiß, aber du nimmst dir trotzdem eins, brichst es mit einem Ruck auf und gibst mit dem Finger Butter hinein. Sie schmilzt sofort, dringt in die Furchen und Löcher des weißen Inneren. Du nimmst es in die Hand wie ein Sandwich und beißt hinein, dringst mit einem krachenden Geräusch durch die Kruste. Du hast seit gestern Mittag nichts mehr gegessen, dein Gaumen schläft noch und ist auf so ein Erlebnis nicht vorbereitet. Die Reaktion ist heftig. Es tut weh. Die Butter durchflutet deinen Schädel, und einen Moment lang glaubst du ohnmächtig zu werden.
Du wartest in einem schicken italienischen Restaurant in der 59. Straße, gestärkt von mehreren Negronis, auf ein gutes Essen, bist aber nicht auf die cicchetti gefasst, die unerwartet serviert werden: kleine Kissen aus Seeigelrogen auf winzigen Scheiben getoastetem Weißbrot. Das allein wäre schon himmlisch genug, sollte man meinen, doch der Küchenchef hat etwas getan, was über das Schelmische hinausgeht und wohl ins Reich des Ruchlosen gehört: Auf jeden orangefarbenen Eierklecks hat er einen hauchdünnen Span lardo gegeben, den leicht geräucherten, gewürzten Schweinespeck, der in Marmortrögen in den toskanischen Bergen reift, sich nun um seine Beute windet und bald zerfließen wird. Du schiebst es eilig in den Mund, denn du weißt, dass das eine
Sünde gegen Gott sein muss, und das macht es noch schöner. Das ist zu viel, einfach zu viel. Jenseits von reichhaltig, jenseits von salzig-süß. Jenseits allen Anstands. Du rufst den Ober und bittest um einen Nachschlag.
Die Garnelen hier kommen aus besonders tiefen Gewässern, erfährst du von dem Mann, der sich um die Kohle kümmert. Aus besonderen Gewässern. Er macht die Kohle selbst, zwei verschiedene Mischungen. Auch die Grills hat er gebaut, glänzende, makellos saubere quadratische Metallpfannen, die sich jeweils mit einem Rad auf mehrere Stufen senken oder heben lassen. Seiner Grundzutat fügt er so gut wie nichts hinzu. Meersalz. Einen Spritzer spanisches Olivenöl aus der Sprühflasche.
Er lächelt dich an, als er dir die Garnelen hinstellt. Du entfernst die Schale und isst den Schwanz zuerst, in zwei Bissen. Aber dann kommt
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