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Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs

Titel: Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Bourdain
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sie sich gegenseitig ausgeben - durch ihre ureigene Persönlichkeit. Betrunken sind sie, laut, leutselig, wütend, rührselig, geil. Über yakitori , den liebevoll und kunstvoll gegrillten Hühnerstückchen, kannst du die beispiellos abgedrehte japanische Nationalschizophrenie besonders gut beobachten. Ein Mann mit Stirnband wendet sorgfältig in einer Metallwanne über glühender Kohle Spieße mit brutzelndem Geflügel. Jemand bringt dir noch ein Bier, eine extragroße Flasche Sapporo mit einem zu kleinen Glas. Im Raum steht der Qualm der vielen Zigaretten und des tropfenden Hühnerfetts, das auf der Kohle verglüht. Man kann die Menschen kaum sehen, wie sie mit gekreuzten Beinen am Tisch sitzen, einige von ihnen vornübergebeugt, auf einen Arm gestützt, mit rotem Gesicht, schwitzend. Der dicke Rauch, der in der Luft hängt, wabert um ihre Oberkörper. Hin und wieder öffnet eine Gruppe für ein paar Minuten das Fenster zum Lüften.
    Du sitzt am Tresen, im Holzbecher vor dir nackte, soeben abgenagte Spieße, ein igelähnliches Mahnmal der Gefallenen. Du hast den weichen Knochen (Brustknorpel), den Knieknorpel, Schenkel, Klößchen aus Hühnerfleisch, in rohes Wachtelei getunkt. Oft wurde Hühnerherz bestellt, Hühnerleber, Zunge vom Kobe-Rind in kleinen, gleich großen Stückchen, sauber auf Bambusstäbchen gespießt und langsam über der Glut gedreht, bis sie gleichmäßig durch sind; salzig und mit einem leichten Holzkohlegeschmack, garniert mit Meersalz oder Cayennepfeffer. Und du hast Hühnerhaut gegessen, eng auf Bambusspieße gewickelt und
langsam gegrillt, bis sie knusprig ist, außen kross, aber innen noch weich. Jetzt aber zu den Bürzeln. Du hast die letzten sechs ergattert und bist recht zufrieden mit dir. Der fette Hautwulst, der Knubbel aus aromareichem, buttrigem Fleisch enthält, getrennt durch eine dünne Knorpelschicht - das ist das beste Stück vom Huhn. Und natürlich gibt es nur einen davon pro Tier, also ist das Angebot begrenzt. Der Mann gegenüber, der gerade den Kampf mit der Vertikalen verliert, den Kopf unsicher auf einen Arm stützt, dann abrutscht und gerade rechtzeitig hochschreckt, ehe er mit dem Kopf auf den Tresen knallt - er sieht deine Hühnerbürzel und ist stocksauer. Du weißt nicht, was er mit dem Koch zu meckern hat - der das alles schon kennt -, aber du vermutest, er beschwert sich, dass ausgerechnet der einzige Ausländer im Lokal den letzten Bürzel abgestaubt hat. Du spendierst ihm einen Sake.
     
    Im Deli in der Houston Street wird das dampfende Pastrami aus dem riesigen Wärmebehälter gehievt und in dicke Scheiben geschnitten. Das Fleisch ist feucht und so zart, dass du dich fragst, wie der Typ mit dem Messer durchkommt, ohne es zu zermatschen. Er legt das dunkelrosa Fleisch zwischen allzu frische Roggenbrotscheiben, die mit dem hier üblichen hellgelben Senf bestrichen sind. Später, am Tisch, löst sich das Brot auf, zerkrümelt unter dem schweren und feuchten Pastrami. Du schiebst das salzig-pikante Fleisch mit einer Dillgurke über den Teller und in den Mund und spülst das Ganze mit einer Dr. Brown’s runter. Die Süße der Limonade bildet genau den richtigen Gegenpol zu den salzigen, pfeffrigen, pikanten, würzigen und sauren Aromen.

     
    Fünfundsiebzig Kilometer vor den Toren Prags hängen noch dampfend die Hälften eines frisch geschlachteten Schweins in der Kälte, an einem Gerüst, das aussieht wie eine Kinderschaukel.
    Es ist ein nieselfeuchter Morgen, deine Füße sind nass, und du wärmst dich an einem kleinen Feuer, über dem in einem Topf Schweinefleisch brodelt. Die Angehörigen und Freunde des Metzgers trinken Sliwowitz und Bier, und obwohl es noch ein paar Stunden bis zum Abend sind, hast du von beidem schon genug. Jemand ruft dich nach drinnen in die geflieste Schlachtküche, in der der Metzger das Schweineblut mit gedünsteten Zwiebeln, Gewürzen und zerkrümeltem schwarzem Landbrot vermischt hat und drauf und dran ist, die Masse in die Därme zu füllen. Normalerweise schiebt man den Darm über die Metallröhre eines Cutters, stellt die Maschine an, in der die Zutaten für Farce oder Brät vermischt wurden, und die Würste füllen sich wie von Zauberhand.
    Dieser Metzger macht es anders. Er zerkleinert auf dem Hackbrett alles von Hand. Ein feuchter, unförmiger Berg schwarzer Blutwurstmasse türmt sich auf seinem Schneidebrett. Er nimmt den Darm in die eine Hand, steckt zwei Finger ins offene Ende, spreizt sie, sodass sich der Darm beunruhigend

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