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Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs

Titel: Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Bourdain
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»Black Label Burger« ist eine teure Mixtur, zubereitet von Pat La-Frieda aus dem Fleisch biologisch gehaltener Weiderinder der Creekstone Farms. Schlicht und einfach in der Grillpfanne gebraten - genau so, wie Gott sich die Zubereitung eines Burgers eben vorstellte - und mit einem Brötchen, etwas Zwiebelconfit, einer Tomatenscheibe und einem Salatblatt serviert, ist hier der neue Burger wieder ganz beim Alten. Nur dass er jetzt 26 Dollar kostet.
    Er ist aber auch der nackte Wahnsinn von einem Burger, einer, der bei einer Blindverkostung unter »Experten« nur
schwer zu toppen wäre. Womöglich ist er sein Geld sogar wert, wenn man so viel übrig hat - und sehen wir der Wahrheit ins Auge: Wer in der Minetta Tavern isst, hat es wahrscheinlich übrig.
    Doch die Geschwindigkeit, in der fähige und zukunftsorientierte Spitzenköche wie Laurent Tourondel, Daniel Boulud, Tom Colicchio, Hubert Keller, Bobby Flay - und sogar Emeril - auf ihre jeweils eigene Weise das Hamburger-Neuland erobern, ist atemberaubend. Und allesamt servieren sie, das muss gesagt sein, einen verdammt guten Burger. Das ist schon jetzt Das Neue Ding und wird es in absehbarer Zeit auch bleiben. Ja, es ist wohl nur der Anfang einer Entwicklung, die perfekt in die Zeit passt: ein relativ erschwinglicher Luxusartikel in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage, der die Stimmung in den USA widerspiegelt, den Wunsch nach einer wohligen, beruhigenden Mahlzeit, der eine Gegenreaktion ist auf »abgehobene«, »alberne« oder »chi-chi« klingende Gerichte, eine Antwort auf die wachsende Unzufriedenheit mit der traditionellen Lebensmittelversorgung, ein Ausdruck des gegenläufigen Snobismus, der die Gourmeteliten befallen hat und sie plötzlich mit Begeisterung darüber streiten lässt, welches die »authentischere« Version des Alltagsklassikers ist.
    Aber was ist mit dem guten alten Burger? Der funktionale, mutmaßlich (so dachten wir jedenfalls) sichere Alltagsburger, der einen deutlich sichtbaren Fettabdruck auf der Unterseite des Brötchens hinterlässt, der belegt ist mit einer Scheibe unreifer Tomate, vertrockneter Zwiebel und einem Blatt Eisbergsalat, das nie jemand essen wird … einem schlappen Viertel der obligatorischen Dillgurke, einer
Scheibe Kraft-Schmelzkäse, die halb geschmolzen, aber schon wieder fest werdend, schräg oben auf dem Ganzen thront? Wird er verschwinden wie die grellen, quietschebunten Americana auf Howard Johnsons Speisekarte - die Schinkensteaks mit dem Schachbrettmuster des Grillrostes, garniert mit Ananasringen, oder die krustenreichen Hühnerpasteten früherer Jahrzehnte?
    Muss erst noch Überzeugungsarbeit geleistet werden, ehe künftige Kunden etwas teurere Hamburger kaufen?
    »Und nun genießen Sie unsere Chaste-Quaker-Farms-Mischung vom Angus-Rind aus der Getreidemast mit einer winzigen Dosis Antibiotika, das sich lediglich in den letzten Lebenstagen ein bisschen unwohl fühlte, weil es in einem dunklen, kotverschmierten Schuppen der Schlachtung harren musste.«
    Oder wird der minderwertige Burger, der klassische Burger mit dem Fleisch rätselhafter Herkunft bis in alle Ewigkeit überleben? Und einfach etwa zwei Dollar teurer werden?
    Für das griechische Ehepaar in der Imbissstube um die Ecke, das wie immer in einer fettverschmierten Grillpfanne die tiefgefrorenen Frikadellen anbrät, ist es die Nachricht des Tages, dass, aus welchem Grund auch immer, zwei Straßenzüge weiter die Trottel seit Neustem achtzehn Dollar für einen Burger hinlegen. Sie kommen also mit Sicherheit damit durch, wenn sie den Preis um ein oder zwei Dollar erhöhen.
    Vielleicht ist diese ganze Burgergeschichte nur Teil einer größeren Verschiebung, vielleicht werden derzeit alle Alltagsgerichte der Durchschnittsamerikaner langsam, eins
nach dem anderen, zweckentfremdet, nachgerüstet, neu erfunden und schließlich im Preis erhöht.
    Wo anfangen.
    In den angesagtesten Restaurants von New York, San Francisco und Chicago stehen die Reichen an, um Spitzenpreise für Hufe, Schweinerüssel, Schlegel und Kaldaunen zu bezahlen, die die Armen früher essen mussten .
    Heutzutage müssen Sie zu Mario Batali gehen und zwanzig Dollar auf den Tisch legen, um Innereien zu bekommen. In Harlem können Sie lange nach Schweinsfüßen suchen. Aber Daniel Boulud hat sie auf der Karte.
    Die normale Pizza gehört mittlerweile zu den bedrohten Arten, weil die nach allen Regeln der Kunst zubereitete artisanal pizza die Alltagsscheibe verdrängt. Sogar der Muffin hat

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