Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs
Mittel recht, um zarte Kinderseelen zu vereinnahmen. McDonald’s ist clever. Ich will dem Konzern das Recht auf Propaganda, Werbung, Reklame - oder wie auch immer man es nennt - gar nicht absprechen. Wenn sich Disney überall in das Leben von Kindern und Jugendlichen reindrängen darf, warum nicht auch Ronald. Ich sehe keinen Tatbestand, mit dem man vor Gericht Anklage erheben könnte. Dafür sind solche Unternehmen ohnehin viel zu mächtig.
Gegen den Clown, den King und den KFC-Colonel hilft nur der Straßenkampf - genauer gesagt, der Kampf um das leicht zu beeindruckende kindlichen Gemüt, mit dem die schon so lange sehr erfolgreich rumspielen.
Und ich werde in dieses Spiel einsteigen.
Es ist verdammt einfach.
Eric Schlosser hatte mit seinem Sachbuch Fast Food Gesellschaft die Fakten auf seiner Seite, aber damit kann man keine Dreijährige von ihrem Happy Meal weglocken - man kann nicht einmal ihre Aufmerksamkeit wecken. Der Clown, der King, der Colonel - und all ihre bonbonfarbenen, hoch konzentrierten Fructosefreunde - sind furchterregende Feinde. Und wenn uns die Militärgeschichte irgendetwas gelehrt hat, dann, dass man eine Schlacht selten auf direktem Weg gewinnt. Diese Debatte wird nicht mit Fakten gewonnen. Kindern sind Kalorien scheißegal - genauso wie
Massentierhaltung oder die Auswirkungen, die die Gier der Amerikaner nach billigem Hackfleisch auf die Umwelt oder die Gesundheit unserer Gesellschaft hat.
Mit Läusen sieht das anders aus.
Wovor hat ein Kind am meisten Angst? Dass es ein Außenseiter ist, dass andere es lächerlich finden, sich lustig machen, es in der Schule ärgern oder hänseln. Jedes Kind verspürt ein brennendes Gefühl der Angst vor so etwas. Das ist ein Urinstinkt: Man will dazugehören. McDonald’s hat das längst erkannt - ebenso, welche Farben kleine Kinder besonders ansprechen, welche Konsistenz das Essen haben sollte und mit welchen Filmen oder Fernsehsendungen man Kinder für die grauen Fleischscheiben begeistern kann. McDonald’s hat keine Bedenken, sich die Ängste und unausgesprochenen Sehnsüchte kleiner Kinder zunutze zu machen, und ich auch nicht.
»Ronald hat Läuse«, sage ich - jedes Mal wenn er im Fernsehen auftaucht oder wir ihn vom Auto aus sehen. »Und weißt du was«, rede ich weiter und senke bedeutungsvoll die Stimme, »er riecht auch schlecht. So richtig nach … Stinker!« (Natürlich achte ich sorgsam darauf, solche Aussagen immer mit dem Wörtchen »angeblich« zu versehen, auf dass meine Einflüsterungen an eine Zweieinhalbjährige nicht missverständlicherweise als Verleumdung ausgelegt werden.)
»Wenn du Ronald umarmst … bekommt du dann Läuse?«, fragt mein kleines Mädchen mit blankem Entsetzen im Gesicht.
»Manche sagen das … ja«, antworte ich - ich will ja nicht lügen - nur für den Fall, dass sie den Clown irgendwann einmal bei einem Kindergeburtstag trifft. Eine Antwort, wie
sie auch ein Anwalt geben würde - aber effektiv. »Manche erzählen auch von seinem Geruch … ich will nicht behaupten, dass man auch stinkt, wenn man ihm zu nahe kommt, aber …« Ich lasse den Satz in der Luft hängen.
»Iiiiiiih!!!«, sagt meine Tochter.
Wir sitzen schweigend da, während sie sich das noch einmal durch den Kopf gehen lässt. Dann fragt sie: »Stimmt es, wenn du bei McDonald’s einen Hamburger isst, dass du dann ein Spasti wirst?«
Ich lache herzlich und umarme sie. Ich küsse sie beruhigend auf die Stirn. »Wo du das alles immer nur her hast!«
Vielleicht habe ich ihr diesen Floh vor ein paar Wochen ins Ohr gesetzt, vielleicht aber auch nicht. Ihre kleine Freundin Tiffany hat in der Ballettstunde »zufällig« ein fingiertes Handygespräch mit angehört. Ich habe diese kleine Fehlinformation wie ein Schlückchen radioaktives Kontrastmittel auf seinem Weg durch den Kindergartenuntergrund verfolgt - geduldig gewartet, bis sie auf der anderen Seite auftaucht - und schwupps, da ist sie. Bingo.
Die CIA nennt das »schwarze Propaganda«, meiner Meinung nach eine vernünftige, kostengünstige Abwehrmaßnahme angesichts der überwältigenden Übermacht des Feindes.
Ich erinnere mich noch gut an ein Gerücht über Rattenhaare in Chunky-Schokoriegeln, als ich klein war. Das Gerücht verbreitete sich wie ein Lauffeuer auf den Schulhöfen des Landes - und das noch vor dem Internetzeitalter - und sorgte, soweit ich weiß, für einen massiven Umsatzeinbruch. Keine Ahnung, woher das Gerücht stammte. Es war auch nachweislich wirklich nur ein
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