Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs
auf einen Streit gefasst machen müssen. Und heute? Zuckt keiner mit der Wimper. Die Bewertung von Kaffee hat sich grundlegend geändert, ohne dass es uns überhaupt aufgefallen ist.
Das, so vermute ich, ist mit dem Hamburger auch im Gange und wird so bald nicht aufhören. Die Modeindustrie hat das Phänomen schon lange erkannt. Relativ wenige Leute können sich einen Anzug von Gucci leisten. Aber sicher können sich viele Leute ein T-Shirt mit GUCCI-Logo leisten. In fünf Jahren werden sich Menschen, die es sich nie leisten könnten, im, sagen wir, Craft zu essen, stattdessen einen Tom-Colicchio-Burger kaufen. Und ich vermute, dass es, anders als das chinesische T-Shirt mit dem Logo, ein ziemlich guter Burger sein wird.
Diese Entwicklung wird sich nicht aufhalten lassen, und der »gute« Burger, der Designerburger, den man auch seinem Kind geben würde und mit dem man sich bei seinen Freunden sehen lassen kann, der kostet dann vierundzwanzig Dollar, bitte schön.
Man sollte doch annehmen, dass die großen Fleischverarbeiter das haben kommen sehen. Sie hätten doch erkennen müssen, dass es zwar gut und schön ist, wenn man dreißig Cent pro Pfund spart, dass man damit aber riskiert,
in ein paar Jahren den Markt ganz zu verlieren. Noch ein paar E.-coli-Epidemien in Schnellrestaurants oder Schulcafeterias, und man ist wahrscheinlich weg vom Fenster. Nur wenige Eltern werden ihre kleinen Ambers und Tiffanys das Zeug noch essen lassen, von dem man auf CNN ständig hört - begleitet von Bildern toter Kinder und kranker Tiere. Es ist wirklich nur eine Frage der Zeit, bis man infolge einer Kombination aus erfolgreicher Dämonisierung, ernsthafter Gesundheitsbedenken und veränderter Essgewohnheiten in Amerika beginnen wird, weniger dieser grauen Scheiben angeblichen »Fleisches« zu essen.
Wenn uns die jüngste Geschichte aber etwas gelehrt hat, dann, dass uns die Lebensmittelindustrie in Sachen Marktforschung um Längen voraus ist. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird sie, falls und sobald Amerika seinen typischen Burger satthat, bereits mit offenen Armen auf uns warten. Wie im Dokumentarfilm Food Inc. prägnant dargestellt, gehört ein riesiger Anteil der »neuen«, »gesunden« und »biologischen« Lebensmittel bereits eben den Konzernen, die uns überhaupt an die Bioregale getrieben haben. Sie haben uns immer an der Angel. Es ist, als breche man jemandem das Bein, damit man ihm eine Krücke verkaufen kann. »Wenn Ihnen von unseren anderen Produkten schlecht wird oder wenn Sie Angst vor ihnen haben, sind wir für Sie da. Natürlich kostet Sie das ein bisschen mehr. Aber das haben Sie ja sicher nicht anders erwartet.«
Ein frühes Warnsignal, der Moment, in dem viele ihre Sichtweise änderten, ergab sich wohl gar nicht aus gesundheitlichen Bedenken, einem wachsenden Bewusstsein oder dem Erfolg so hervorragender Bücher wie Fast Food Gesellschaft
oder Das Omnivoren-Dilemma , sondern war jenem verschlagenen und zynischen Küchenchef zu verdanken, der als Erster mit dem »Kobe-Burger« um die Ecke kam.
Man kann der Erfinderin oder dem Erfinder kaum Vorwürfe machen. Die Zeit, in die diese bahnbrechende Neuerung fiel, war mit Sicherheit reif dafür. Die Restaurants in New York City waren vollgestopft mit lauten, Nadelstreifen tragenden, noch nicht verurteilten und völlig überdrehten Hedgefonds-Managern, die jede Gelegenheit wahrnahmen, Hunderte von Dollar für einen Burger hinzublättern. Das Kobe-Rindfleisch war doch das »beste« der Welt, oder? Das kam aus … Japan und so, von … so … echt speziellen Rindern, die … mit Bier und allem massiert wurden, oder etwa nicht? »Ich hab gehört, die kriegen sogar einen runtergeholt!«
So jedenfalls wurde geredet, wenn die Horden von sich pausenlos abklatschenden Tageshändlern aus mittlerweile nicht mehr existierenden Investmentbanken oder Brokerhäusern wie die Lemminge ins Restaurant rannten und sich den »besten Burger aller Zeiten« bestellten. Natürlich ist die Wahrscheinlichkeit, dass das »Kobe-Rindfleisch« jemals auch nur in der Nähe Japans war, ziemlich gering. Bestenfalls war es ein entfernter Verwandter, und wenn tatsächlich das wunderbar fette Fleisch des verwöhnten Wagyu-Rindes für den Burger verwendet worden sein sollte, wäre das absolut sinnlos, verschwenderisch, ja, widerwärtig gewesen.
So begehrt ist das Wagyu-Steak wegen seines unglaublichen Fetts, das das Fleisch marmoriert - und oft bis zu fünfzig Prozent ausmacht. Wenn man Fleisch für
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