Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs
nicht mehr so sicher ist.
Unser gestörtes Verhältnis zu der, wie wir in der Schule lernen, »Nahrungspyramide« - in der das Fleisch weit oben steht - bringe uns Amerikaner langsam um, hört man oft; es verstopfe die Flughäfen und Gehwege mit immer korpulenteren, immer lethargischeren krankhaft Fettsüchtigen, die sich keuchend und prustend den Weg zu einem frühen Tod bahnen. Die Kostenexplosion im Gesundheitswesen, heißt es, sei zunehmend darauf zurückzuführen, was und wie viel wir essen, und immer weniger etwa auf Zigaretten oder Drogen. Was wohl ganz in Ordnung ist, wenn es um eine persönliche Entscheidung geht wie die, ob man Heroin nimmt: Man spielt und ist bereit, dafür zu zahlen.
Ich würde meine Ansichten als libertär bezeichnen wollen, und es bereitet mir Unbehagen, wenn der Staat meint, er müsse einschreiten und diese grundlegende Entscheidung für uns treffen, nämlich, was wir uns in den Mund stecken und was nicht. In einer perfekten Welt hätten die Menschen die Freiheit, alles Heroin zu konsumieren, das sie haben möchten - und sich nach Belieben mit trans-Fettsäuren vollzustopfen, bis sie zu einem Problem ihrer Nachbarn werden. Und das sind sie offensichtlich geworden.
Unsere unersättliche Gier nach billigem Fleisch setzt uns, bei Lichte betrachtet, ziemlich übel zu. Unsere völlig verdrehten Erwartungen ans Essen untergraben die Grundfesten unserer Gesellschaft, im Großen wie im Kleinen. Dass wir eine Nation geworden sind, die sich (um mit jemandem zu sprechen, der sehr viel klüger ist als ich), vollkommen dem Geschäft verschrieben hat, »sich gegenseitig Cheeseburger zu verkaufen«, ist unbestreitbar - wenn man hinzufügt, dass die privilegierteste Geschäftstätigkeit mittlerweile darin besteht, denen, die sich gegenseitig Cheeseburger verkaufen, Geld zu leihen.
Dass die industrielle Landwirtschaft so grausam und hässlich ist - und so schädliche Auswirkungen auf die Umwelt hat -, schreckt natürlich jeden vernünftigen Menschen ab. Doch es ist die allgemeine Talfahrt des Standards, die sich aus unserem stoischen Beharren auf billige Burger ergibt. Egal, wo sie herkommen und wie schlecht sie schmecken, wir quittieren es mit einem kollektiven, postironischen Schulterzucken, während wir vorsätzlich in etwas beißen, das bestenfalls nach Pappe und säuerlicher Zwiebel schmeckt - diese Talfahrt ist es, die uns fertigmacht.
In dem Amerika, das nicht vom Kauf und Verkauf billigen Hackfleisches lebt, ist allerdings mit meinem geliebten Hamburger derzeit etwas im Gange, das bei mir gemischte Gefühle auslöst: Ich spreche vom allmählich wachsenden Einfluss des »Boutique«-Burgers, des »Designer«-Burgers.
Es ist Jahre her - so viele, dass nur wenige von uns sich überhaupt daran erinnern -, da erwarteten die meisten Amerikaner vom Kaffee in etwa dasselbe wie vom Hamburger: Sie betrachteten eine anständige, preisgünstige, aber nicht unbedingt großartige Tasse Kaffee im Becher oder alternativ in der schweren Porzellantasse als ihr gutes Recht. Eine Tasse Kaffee, da herrschte Einvernehmen, sollte etwa einen Dollar kosten und beliebig oft nachgefüllt werden. Dann kam Starbucks, dessen besonderes Genie nicht etwa in der Verbreitung von latte , half-caf und mochaccino oder neuer Größenbegriffe wie venti bestand. Ebenso wenig zeichnete sich Starbucks durch besonders gute Kaffeequalität aus.
Das wahrhaft Bahnbrechende war die einfache Erkenntnis, dass die Amerikaner unbedingt mehr Geld für eine Tasse Kaffee ausgeben wollten , dass es ihnen erheblich besser ging, wenn sie fünf Dollar für einen Becher bezahlten, als wenn sie den billigen Filterkaffee tranken, der in Serien wie Friends nur von dicken White-Trash-Weibern im Hausmantel konsumiert wurde (oder von Leuten, die für ihren Lebensunterhalt tatsächlich noch arbeiten mussten) - in Wohnwagensiedlungen, Meth-Labors oder wohin sich solche Leute eben verkrochen.
Und außerdem wollten die Amerikaner ihren Kaffee an einem Ort trinken (oder, genauer gesagt, nehmen), der aussah wie Starbucks: Junge, attraktive Menschen (wie die aus
der Serie Friends ) nippten dort an ihrem Kaffee und plauderten pointenreich bei einem Preiselbeermuffin. Dazu gedämpfte, gutmütige Hintergrundmusik von Natalie Merchant. Für fünf Dollar die Tasse.
Wenn noch vor einer Weile der Typ hinter dem Tresen (und der hieß, zum Geier, nicht barista ) fünf Dollar für eine Tasse Kaffee verlangt hätte - egal, was für eine -, hätte er sich mindestens
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