Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs
sich zu einem Kleinod entwickelt, und die einfache Bratwurst ist heute die begehrteste Spezialität New Yorks. Bestellt man in Portland, San Francisco oder anderswo in den Staaten ein Heineken, muss man sich darauf gefasst machen, von einem Lokalbier-Fanatiker schief angesehen zu werden, der begeistert den hopfigen, malzigen Gerstensaft anpreist, der eine kräftige Erdbeer- und Patschulinote hat und nebenan in einem Keller gebraut wird. Es sei denn natürlich, man entscheidet sich für die postironische Retrovariante - dann allerdings zahlt man für das Allerweltsbier einen Zuschlag, und es wird mit dem erstickenden Gifthauch der Coolness serviert.
David Chang verkauft literweise »Müsli-Milch« - für fünf Mäuse die Flasche, wobei es sich, wenn ich es richtig verstehe, um den Aufguss der Müsli-Essenz handelt, etwa die extrahierten Aromen von Captain Crunch mit Crunchberries,
die süße, leicht rosarote Milch also, die in der Schüssel übrig bleibt, wenn man sich durch die festen Bestandteile gefuttert hat. Das ist vielleicht der absolute Gipfel des Phänomens. Vielleicht auch nicht.
Wenn, tja, falls dereinst die Guten den Sieg davon tragen - nachdem sie die Verbraucher in Sachen Lebensmittelversorgung in Angst und Schrecken versetzt, teure Zutaten zum Fetisch erhoben, Hoffnungen, Sehnsüchte und Verunsicherung der Mittelschicht bis ins Letzte ausgeschlachtet haben -, haben wir es dann geschafft, denselben alten Fraß einfach nur teurer zu machen? Oder, besser gesagt, habe ich es geschafft?
Bin ich mal wieder dabei, das zu töten, was ich liebe?
Bildungsnotstand
M eine Frau und ich unterhalten uns im Flüsterton direkt vor dem Kinderzimmer unserer Tochter, die so tut, als ob sie schlafen würde.
»Schscht!! Sie kann uns hören«, sagt meine Frau in theatralischem Ton, der verschwörerisch klingen soll.
»Nein, sie schläft«, zische ich, ein bisschen zu laut. Ein Bühnenflüstern.
Wir reden wieder einmal über Ronald McDonald. Über seine mögliche Beteiligung am Verschwinden eines kleinen Mädchens.
»Aber doch nicht schon wieder? «, keucht meine Frau in gespieltem Unglauben.
»Ich fürchte doch«, sage ich besorgt. »Wollte sich nur ein paar Pommes und ein Happy Meal holen und wurde seitdem nicht mehr gesehen …«
»Sucht man sie?«
»Ja klar … der ganze Wald wird abgesucht … der Spielplatz von McDonald’s - aber natürlich konzentriert sich die Polizei wieder auf Ronald.«
»Warum Ronald?«
»Na ja, weißt du noch, letztes Mal? Als das andere Kind endlich gefunden wurde? Wie hieß es noch - der kleine … Timmy? Die Polizei hat Beweise sichergestellt. An der Leiche … haben sie … Läuse gefunden.«
Das ist nur eine Szene in einer laufenden Theaterproduktion - Teil eines Feldzugs in psychologischer Kriegsführung. Das Zielobjekt? Ein zweieinhalbjähriges Mädchen.
Es steht viel auf dem Spiel. Aus meiner Sicht das Herz, der Verstand, die Seele und die körperliche Gesundheit meines geliebten einzigen Kindes. Ich bin wild entschlossen, sie nicht dem Reich des Bösen zu überlassen, dafür bin ich bereit, alles zu tun, oder, wie Malcolm X es ausdrückte, »mit allen erforderlichen Mitteln« zu kämpfen.
McDonald’s ist sehr clever, was Kinder angeht. Man kann über Ronald McDonald und seine Freunde sagen, was man will, aber sie kennen ihren Markt - und die treibende Kraft dahinter. Sie schrecken nicht davor zurück, kleine Kinder zu umgarnen - tatsächlich ist ihr gesamtes, Fantastilliarden Dollar umfassendes Werbebudget direkt auf Kleinkinder ausgerichtet. Sie wissen, dass sich ein kleines Kind, das auf dem Rücksitz im Auto seiner beiden überarbeiteten, gestressten Eltern quengelt und heult, fast immer bei der Restaurantauswahl durchsetzt. Sie wissen genau, wann und wie man eine Markenidentität aufbaut und mithilfe bunter Clowns und Spielzeugbeigaben Markentreue erreicht. Sie wissen, dass aus KleinTimmy einmal ein ausgewachsener Konsument unzähliger Big Macs wird, man braucht nur ein bisschen Geduld und die richtige Dosis an buntem Firlefanz. Deswegen hat Ronald McDonald bei Kindern angeblich einen höheren Wiedererkennungswert als Micky Maus oder Jesus.
Mir persönlich ist es egal, ob meine kleine Tochter die anderen beiden Typen kennt - ihr Verhältnis zu Ronald ist mir jedoch wichtig. Ich will, dass sie die Fast-Food-Kultur genauso sieht wie ich - als den Feind.
Von der Finanzierung von Schulen in verarmten Stadtvierteln bis zum Bau von Spielplätzen ist McDonald’s jedes
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