Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs

Titel: Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Bourdain
Vom Netzwerk:
unterstützen (ein Gefühl, das ich nur allzu gut kenne). Man ist vielleicht mit allem einverstanden, was sie sagen, aber man wünscht sich trotzdem, sie würden endlich ihre verdammte Klappe halten. Kein unabhängiger Wähler, der von den Republikanern desillusioniert ist und Mühe hat, seine Rechnungen zu bezahlen, will von einem unglaublich reichen »Künstler«, der in einem Villenviertel in Hollywood
lebt, weit weg von den Sorgen und Nöten der gewöhnlichen Amerikaner, hören, was er tun oder wen er wählen soll .
    Es gibt kein besseres Beispiel für kontraproduktive Ratschläge als Alices jüngsten Auftritt in der Sendung 60 Minutes. Von einer schockierend faulen und leichtgläubigen Leslie Stahl als »Mutter von Slow Food« vorgestellt (eine nachweislich falsche Behauptung, die mit einer dreißigsekündigen Google-Recherche zu verhindern gewesen wäre), schwebte die heilige Alice von Berkeley ätherisch über den Niedrigkeiten des Lebens. Beim Gang über einen teuren Gemüsemarkt dozierte sie verträumt über den Genuss regional angebauter, nachhaltiger und mit gutem Gewissen essbarer Lebensmittel.
    Dann briet sie Leslie bei sich daheim in Berkeley ein einziges Ei über einem flackernden Holzfeuer. Ich weiß nicht, wie Sie das sehen, aber ein paar Scheite Feuerholz für ein einziges blödes Ei zu verbrennen wirkt auf mich nicht sonderlich nachhaltig. Ich glaube, dass die Vorschriften für Holzfeuer in Berkeley besonders restriktiv sind. In Manhattan brauche ich eine unglaublich teure Kombination aus Lüftern, Katalysatoren, Filtern und Abzugsystemen sowie unzählige Genehmigungen, bevor ich überhaupt eine Feuerstelle einrichten darf. Auch in Berkeley ist man bei solchen Sachen heikel - wo doch die Hälfte aller globalen CO 2 -Emissionen angeblich von Holzfeuern stammt. Wenn Alice jeden Morgen als Beilage zu ihrem Haferbrei und dem frischgepressten Orangensaft ihre Eier auf dem Feuer brät, bekommen ihre Nachbarn so viele Schadstoffe ab, wie wenn sie eine Schachtel Pall Mall rauchen würden.

    Später in der Sendung begab man sich ins Chez Panisse, wo Alice weiter über ihren Fetisch »regionale Lebensmittel« schwafelte und stolz auf eine Lieferung prächtig gefärbten Gemüses von Chino Farms wies. Blöd nur, dass Chino Farms - zumindest das letzte Mal, als ich nachsah - in San Diego liegt. Das sind fast zwölf Stunden Fahrt mit dem Lastwagen bis zum Chez Panisse - oder eine Stunde im Flugzeug. Wie »regional« und »nachhaltig« ist das?
    Allerdings war das nicht anders zu erwarten. Wenn etwas für Alice okay ist, heißt das noch lange nicht, dass es für die anderen auch okay ist. Das war auf jeden Fall die unmissverständliche (außer für Stahl) Botschaft der Sendung.
    Betrachten wir einmal die Galadiners, die Alice zur Feier von Obamas Amtsantritt in Washington gab. In der Presse als beispielhafte »kleine« Essen angekündigt, bei denen Nachhaltigkeit und Regionalität gefeiert wurden, entwickelte sich die Geschichte rasch zu einem Riesending, bei dem 500 Dollar pro Einladung berappt werden mussten. Obwohl es in Washington zahlreiche hervorragende Köche gibt, ließ Alice eigens Köche samt Küchenbrigade und vermutlich auch die Zutaten aus dem ganzen Land einfliegen. Wie viel CO 2 in die Atmosphäre geschleudert wurde, nur weil man Köche von außerhalb (die offenbar viel besser sein müssen als die Trottel vor Ort) herbeigekarrt hat, werden wir wohl nie erfahren. Aber man kann sich vorstellen, dass Köche mit ähnlichen Fertigkeiten problemlos auch vor Ort zu finden gewesen wären.
    Nennen Sie mich ruhig einen Korinthenkacker, aber ich kann einfach nicht widerstehen, auf einen ganz besonderen magischen Moment bei einem dieser Galadiners hinzuweisen,
das Alice zusammen mit dem Starkoch Tom Colicchio und der Kochbuchautorin Joan Nathan gab. In der Küche verschluckte sich Nathan an einem Bissen Hühnerfleisch und fing an zu röcheln. Waters hatte nichts Besseres zu tun, als in den Speisesaal zu rennen und zu rufen, ob jemand das Heimlich-Manöver beherrsche. Hmmm, das Chez Panisse existiert seit 1971 und zählt damit zu den am längsten bestehenden erfolgreichen Restaurants in den USA. Alice firmiert dort, soweit ich weiß, als »Küchenchefin«, ein Titel, der, wenn schon sonst nicht viel, besagt, dass jemand einen Großteil seines Erwachsenenlebens in der Nähe des Schildes »Erste Hilfe bei Ersticken« verbracht hat, das in jeder Profiküche hängt (weil gesetzlich vorgeschrieben). Es gibt keinen

Weitere Kostenlose Bücher