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Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs

Titel: Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Bourdain
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    Nein. Wirklich. Irgendjemand muss diese Frage so bald wie möglich beantworten.
    Wenn wir es irgendwie schaffen, ein monströs böses Agrobusiness wie Monsanto in die Knie zu zwingen und große Gebiete fruchtbaren Landes von kleinen Betrieben bestellen lassen wollen, die saisonal und nachhaltig wirtschaften, wo sollen die fleißigen Hände herkommen? Ich kann mir zwei mögliche Szenarien vorstellen: Entweder werden Heerscharen von Leuten, die noch nie in der Landwirtschaft gearbeitet haben, plötzlich davon überzeugt, dass es nichts Schöneres gibt, als morgens um fünf aufzustehen, die Hühner zu füttern und dann den ganzen Tag auf den Feldern zu schuften. Oder, was sehr viel wahrscheinlicher ist, wir kehren zur traditionellen Methode zurück: Wir importieren verzweifelte, arme und dunkelhäutige Menschen in großer Zahl aus anderen Ländern - damit sie für uns, die zur Bequemlichkeit neigenden weißen Herren, das leckere, knackige Gemüse anbauen. Vielleicht wachsen die Tiere der Zukunft wirklich artgerecht heran, sodass diejenigen, die es sich leisten können, ihr Fleisch reinen Gewissens verzehren. Aber
was, bitte schön, ist mit denen, die die Scheiße aus den Ställen schaufeln müssen?
    Okay. Nehmen wir an, die gesamte amerikanische Wirtschaft macht plötzlich eine fantastische Kehrtwendung, und Amerika giert nach frischem Gemüse, so wie es jetzt nach panierten und frittierten Hähnchenteilen (oder anderem Fleisch) lechzt. Und nehmen wir weiter an, dass die Vorstandschefs und Topmanager von Monsanto, Cargill, Con-Agra, Tyson und Smithfield alle verhaftet, verurteilt und ins Gefängnis geworfen werden (was ich übrigens sehr gerne erleben würde), weil sie … was weiß ich … sich krimineller Mittelmäßigkeit schuldig gemacht haben. Landwirt ist auf einmal der Traumberuf für eine neue Generation idealistischer Amerikaner. Groovy. Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen.
    Ich bin ein Heuchler und stolz darauf. Meine zweieinhalbjährige Tochter bekommt ausschließlich Bioprodukte. Meine Frau ist Italienerin. In unserem Haushalt sind wir nur allzu gern bereit, bis zum nächsten Sommer zu warten, bis wir wieder frische Tomaten bekommen. Wir genießen den Wechsel der Jahreszeiten und die Fruchtbarkeit des Hudson Valley - und natürlich auch die Fruchtbarkeit Spaniens und Italiens, die bei Agata und Valentina, den fantastischen, aber schmerzhaft teuren italienischen Läden in unserem Viertel, der Upper East Side, angeboten werden. Als »Starkoch« verdient man eben auch ganz ordentlich.
    Aber wie ist das im ländlichen Michigan? Oder im Umkreis von Detroit? Was wäre, wenn ich ein Arbeiter in der Automobilindustrie wäre, der gerade seinen Job verloren hat und von Arbeitslosengeld oder einem Teilzeitjob leben muss?
Na, zumindest hätte ich ja Zeit, mir einen »Victory-Garten« anzulegen. Was würde mir Alice raten, wenn ich nicht in der Bay Area wohne, wo die Gärten dank des abgezweigten Wassers aus dem Colorado River prächtig gedeihen?
    Kein Problem!
    »Man muss sich einfach einen anderen Speiseplan vorstellen«, sagt Alice. »Man isst Trockenfrüchte und Nüsse. Man macht sich Nudelsaucen aus Dosentomaten … man isst verschiedene Getreidesorten - Graupen mit Wurzelgemüse zum Beispiel. Es werden alle Arten von Wurzelgemüse angeboten, und heute hat man dank der alten Sorten eine schöne Auswahl im Winter … Rüben in allen Farben und Formen! Weiße, rote, orangefarbene und rosa Karotten! Es gibt wunderbare Rezepte für Schmorgerichte mit Fleisch … oder Kohl!«
    Im Grunde sagt sie damit, dass man wie ein verdammter russischer Bauer essen soll. Ich weiß nicht, ob das die Leute in Michigan oder Buffalo hören wollen.
    Und … was ist mit den gesunden, reinen, vollwertigen Biolebensmitteln, die ich laut Alice kaufen soll - vor allem wenn ich Kinder habe? Selbst wenn ich als Polizist oder im mittleren Management als Alleinverdiener in der Familie mit meinem Gehalt über dem Durchschnitt liege? Ein Liter Milch kostet etwa 88 Cent. Biomilch kostet das Doppelte. Für Supermarkttrauben zahle ich um die vier Dollar das Kilo, für Biotrauben sechs. Was ist, wenn ich zur Schar der Niedrigverdiener gehöre, die trotz Arbeit kaum über die Runden kommen? Was soll ich tun? Wie kann ich mir das leisten?
    Wenn man Alice diese Fragen stellt, rät sie fröhlich, man müsse »halt beim Handy Abstriche machen oder auf das dritte Paar Nike-Schuhe verzichten«.

    Eine unglückliche Wortwahl. Die sehr viel

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