Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs
recht hat - nicht, weil unter ihrer Leitung all die zynischen, heuchlerischen, nervtötenden Sendungen mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner produziert werden. Sie zählt zu den Schurken, weil sie eindeutig und nachweislich recht mit allem hat.
Seit sie am Ruder ist, sind die Zuschauerzahlen explodiert. Die Zahl der männlichen Zuschauer, die von den Werbekunden so geschätzt werden, steigt jedes Jahr rasant an. Um die demografische Zusammensetzung der Zuschauer von Food Network beneidet sie jeder andere Sender - die
für die Werbekunden so wichtigen, immer jünger werdenden männlichen Besserverdiener, deren Anteil mit jedem Quartal steigt. Jeder verlogene, von den Kritikern geschmähte Scheiß, der in den Gedärmen von Food Network entsteht, dampfend und doch schon halb tot, erweist sich als unglaublicher Quotenknüller.
Selbst die von Food Network herausgegebenen Zeitschriften sind megaerfolgreich: In einer Branche, die quasi mit Leichen gepflastert ist, gedeihen die Magazine fast als Einzige und werden immer fetter vor lauter Anzeigen.
Die eigenen Argumente gewinnen eine unwiderstehliche Logik, wenn man - egal, was die anderen vorbringen (und egal, wie sehr diese Einwände zutreffen mögen) - nur zwei Worte sagen muss: »Es funktioniert.«
Egal, was Brooke Johnson macht, es funktioniert. Dieser Erfolg sorgt dafür, dass jeder, der sich über die mangelnde »Qualität« beklagt, altmodisch, ja sogar geistig verwirrt klingt, wie ein armer Irrer, der dem »Alten Hollywood« nachweint und von Ford und Lubitsch, Selznick und Thalberg faselt, obwohl der Gesprächspartner keine Ahnung hat, wovon er eigentlich spricht.
Deswegen und dafür, dass es ihr völlig egal sein kann und wahrscheinlich auch ist, wenn sie auf der Liste der Schurken steht, zählt sie zu den Bösen.
Wylie Dufresne ist ein Held.
Weil er es sich zur Lebensaufgabe gemacht hat, genau das Gegenteil von Brooke Johnson zu tun. In seinem Restaurant wd~50, wo man ihn tatsächlich an den meisten Abenden
auch antrifft, kümmert es ihn nicht, ob seine Gäste das Essen verstehen. Er lässt sich auch nicht von seinem Plan abbringen, wenn die Gäste das eine oder andere Gericht hassen. Für Wylie spielt es keine Rolle, dass die meisten Leute lieber ein Steak essen würden - und dass er sich weniger plagen müsste, viel mehr Geld verdienen und das breite Publikum erfreuen würde, wenn er ein bisschen kompromissbereiter wäre. Er weiß, selbst wenn die Gäste alles auf seiner Karte lieben, bietet er doch nicht die Art von Essen, die man jede Woche haben möchte.
Wylie Dufresne ist ein verdammter Held, weil er unglaubliches Talent hat, einen rastlosen Geist - und Eier so groß wie Pontons in der Hose. Er hat sich ungeachtet der Kosten für die harte Tour entschieden, anstatt den einfachen Weg zu gehen, der einem Koch mit seinen Fähigkeiten immer offensteht. Er hätte alles machen können - hätte jede Art von Restaurant haben, jede Art von Karriere machen können. Und er entschied sich für … die Molekularküche. Er experimentiert, geht bis an die Grenze, probiert, was möglich ist und was möglich sein könnte. Dabei entwickelt er Techniken und Ideen, die von Köchen auf der ganzen Welt geklaut werden, ohne ihn dafür zu würdigen - obwohl er die ganze Arbeit hatte, seine Zeit investierte und das volle Risiko trug.
Aus genau den gleichen Gründen ist Grant Achatz ein Held. Und er ist sogar ein noch größerer Held - weil er nicht nur sein beeindruckendes Renommee in den Dienst der Innovationen, Experimente und der Untersuchung von Dingen
gestellt hat, die ihn interessieren, sondern auch sein Leben dafür riskiert hat. Wenn man über Leidenschaft und Hingabe an seinen Beruf spricht, darüber, rigoros und unerbittlich an seinen Zielen und den höchstmöglichen Standards festzuhalten, dann gibt es wirklich niemanden, der das so konsequent gemacht hat oder bereit war, so viel dafür zu opfern.
Alain Ducasse dagegen ist ein Schurke.
Weil er das Ansehen der Gourmetküche mit seinem absurd prätentiösen Restaurant Alain Ducasse New York (oder ADNY, wie es genannt wurde) fast im Alleingang ruinierte. Die totale Katastrophe wurde vielleicht noch einmal abgewendet, doch das Image der Sternerestaurants europäischen Stils, denen er nacheiferte, erlitt selbst unter Wohlgesinnten ernsthaften Schaden und sorgte für einen anhaltenden Gästerückgang in der Spitzengastronomie.
Als ich ins ADNY kam, war ich ein bedingungsloser Fan der Haute
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