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Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs

Titel: Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Bourdain
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zuerst verwendet hätte - und je weiter sich die Botschaft verbreitet und sich das Denken und die Speisekarten verändern, desto weniger weiß man, wie alles begann.
    Mario Batali, Chris Cosentino, Martin Picard, April Bloomfield und Gabrielle Hamilton sind bekennende Beispiele für Köche, die sich durch Henderson befreit fühlten. Ich schreibe »bekennende«, weil sie die Ersten sind, die einem das sagen. Aber eigentlich geht es um all die anderen … die einsamen Küchenchefs und Köche in der Provinz, die sich schon lange, bevor Fergus auftauchte, nach jemandem sehnten, der sie inspiriert und ihnen Mut macht.
    Ich werde nie den Geruch der Räume vor vielen Jahren vergessen, winzigen Veranstaltungsorten im ländlichen England und in den Arbeiterstädten, wo Fergus bei seiner Buchtournee auftrat. Da kamen sie alle, stanken immer noch nach Frittenfett, nach dem Imbiss, dem schmuddeligen Pub, dem deprimierenden und verschrobenen »Lounge/Restaurant«, wo sie damals arbeiteten. Viele waren noch nie in London gewesen. Aber sie wussten, dass Fergus schwer in Ordnung war - und wofür er stand. Und der Ausdruck in ihren Gesichtern - voller Ehrgeiz und Hoffnung - war inspirierend.
    Meine liebste Erinnerung in Verbindung mit Fergus - und eine verdammt bewegende Szene - ist sein Auftritt an meiner alten Alma Mater, dem Culinary Institute of America.
    Ich war besorgt. Ich wusste, dass meine Fans die dreihundert Plätze im Auditorium belegen würden. Schließlich war ich hier ausgebildet worden, für mich war es ein Heimspiel
- und zwanzigjährige männliche Slackertypen, die Koch lernen und sich gerade »Cook Free or Die« auf den Arm tätowieren lassen haben, sind normalerweise genau mein Publikum. Aber ich machte mir Gedanken, wie Fergus ankommen würde. Er ist Engländer - mit diesem vornehmen Oberschichtakzent voller typisch britischer Redewendungen, die man sich bei einem exzentrischen Gutsbesitzer vorstellt. Er spricht leise - und stottert. Er war krank. Sehr krank. Damals hatte er noch nicht die Operation durchführen lassen, die seine Parkinsonsymptome milderte, und sein Körper zuckte gelegentlich unkontrolliert und roboterhaft, manchmal flog einfach so ein Arm nach oben. Er sah im besten Fall ulkig aus; mit seiner runden Brille wurde er oft als »eulenhaft« bezeichnet.
    Würden diese Bengel überhaupt wissen, wer er war?, überlegte ich. Und wichtiger noch: Würden sie ihm zuhören, seinem Vortrag aufmerksam lauschen - würden sie ihm den Respekt zollen, der ihm gebührte -, oder würden sie nach ein paar Minuten die Geduld verlieren, womöglich sogar einfach aufstehen und gehen?
    Ich beendete meinen üblichen Vortrag mit Räuberpistolen und schmutzigen Witzen und überließ Fergus das Feld.
    Er fing an zu reden, ganz leise, war beunruhigend rot im Gesicht, der Arm zuckte …
    Und jeder verdammte Bengel im Saal hing an seinen Lippen.
    Fünfundvierzig Minuten war nicht das leiseste Geräusch zu hören. Sie lauschten in völliger Verzückung dem Meister. Sie wussten sehr wohl, wer er war. Und ob sie das wussten! Und am Schluss stellten sie Fragen - kluge, präzise, begeisterte Fragen. Ich stand schweigend hinten und bemühte
mich, nicht vor Freude zu flennen wie ein Baby. Es war wie am Schluss von Der große Wurf (und ich fange wirklich immer an zu heulen, wenn ich mir diesen sentimentalen Scheiß anschaue).
    In meinem ganzen Leben hatte ich noch nie etwas so … Ermutigendes gesehen.
     
     
    Deshalb setze ich Gael Greene auf meine Liste der Schurken.
    Nicht, weil sie es wegen ihrer Restaurantkritiken verdient, die einst sehr wichtig waren und immer noch ziemlich gut sind - wenn sie nicht gerade über Sex mit Elvis schreibt. Ich könnte das, was ich mache, wahrscheinlich nicht machen, wenn es sie nicht gegeben hätte. Sie ist auch nicht aus einem der anderen offensichtlichen Gründe auf der Liste der Schurken, wegen deren man sich über diese Frau lustig machen kann, die von Köchen wegen ihrer bizarren, um Aufmerksamkeit heischenden Outfits im Stil von Peter Frampton/Michael Jackson/Gopher aus der Serie Love Boat gern Sergeant Pepper genannt wird. Verdammt, in einem anderen Kontext wäre sie wahrscheinlich eine Heldin.
    Aber nein. Gael ist unter die Verdammten gefallen, weil sie vor einiger Zeit eine Podiumsdiskussion im YMCA in der 92 nd Street moderierte - und das Glück hatte, Fergus Henderson unter den Teilnehmern zu haben, ihn aber kaum beachtete. Dauernd sagte sie seinen Namen falsch. Sie schwafelte endlos

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