Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs
Amerikaner etwas anfangen konnten - und noch weniger neigten sie dazu, so etwas zu mögen. Selbst heute noch braucht man nur »Stinkekäse« zu erwähnen, schon wenden sich die meisten mit Grausen ab.
Klar, heroische Käsehändler wie Robert Kaufelt von Murray’s Cheese Shop verdienen seit Jahrzehnten ihren Lebensunterhalt damit, eine beeindruckende Käsevielfalt zu verkaufen. Aber Käse im Restaurant an den Mann zu bringen, war etwas ganz anderes.
Damals war das Käseangebot in einem bestimmten Restauranttyp im besten Fall eine Pflichtveranstaltung. In den Edelrestaurants, wo die Kellner mit französischem oder italienischem Akzent sprachen, die Gläser, Tischdecken und Servietten von guter Qualität waren, frische Blumen auf dem Tisch standen und die Speisen französisch oder »kontinental« waren, war Käse etwas, das man anbot, weil die Gäste es erwarteten. Sie waren - schon oft - in Europa gewesen. Sie wussten, dass nach den Hauptgängen Käse gereicht wurde. Natürlich bestellte niemand das Zeug. Und wenn es jemand getan hätte, wäre er meist auf ein nachlässig zusammengestelltes Sortiment der üblichen Verdächtigen gestoßen:
unreifer (oder überreifer) Brie, vielleicht ein Camembert (normalerweise in noch schlimmerem Zustand), ein trauriger Taler nicht näher bestimmbaren Ziegenkäses, etwas Hartes und entfernt Schweizerisches - und ein einsamer und ungeliebter Kanten Blauschimmelkäse. Wahrscheinlich derselbe Roquefort, der schon für eine der Speisen verwendet wurde. Tatsächlich bestand der Trick, Käse anzubieten und trotzdem keinen Verlust zu machen, darin, dass man alles auf dem Käsewagen für die anderen Gerichte auf der Speisekarte weiterverwendete.
Käse ist teuer. Sehr teuer. Und verderblich. Und heikel. Richtig gereift, gelagert, serviert und behandelt, ist Käse sogar noch teurer. Sobald man einen intakten Käselaib anschneidet, sind seine Tage auf Erden gezählt. Sobald man einen Käse aus dem speziell gekühlten Käseschrank holt, tötet man ihn langsam, aber sicher. Wenn man ihn angeschnitten zurück in den Käseschrank stellt, tötet man ihn quasi ganz. Welcher Angestellte serviert den Käse? Jeder unebene Schnitt, jedes stibitzte Stück, jeder Schmierer bedeutet finanziellen Verlust. Tatsächlich muss man, wenn man eine vernünftige Käseauswahl bieten will (immer mit dem perfekten Reifegrad und der richtigen Temperatur), akzeptieren, dass man das meiste früher oder später wegschmeißt - oder man findet einen Weg, die Reste anderweitig zu verwenden. Und je mehr Sorten man anbietet, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass man sämtliche Überreste zu einer genialen Vorspeise veredeln kann.
Selbst unter den besten Bedingungen kommt es sehr selten vor, dass ein Gast einen separaten Käsegang bestellt - vor dem Dessert und unabhängig davon. Die Ankunft des
Käsewagens neben dem Tisch birgt für eine größere Gesellschaft peinliche Momente: Sollen wir auf den Blödmann warten - der nicht davon abzubringen war, sich Blauschimmel und Portwein zu bestellen - oder einfach mit dem Dessert weitermachen?
Käse ist also nicht unbedingt ein »Lockangebot« - soll heißen ein teures oder aufwendiges Produkt, das an sich kein Geld abwirft, aber den Gast irgendwie dazu bewegt, etwas zu bestellen, das Geld einbringt. Wenn sich jemand tatsächlich für einen Käsegang anstelle des Desserts entscheidet, kann man mit einem schön gealterten Stilton auf keinen Fall mehr Geld machen, als wenn alle eine Crème brûlée oder Eiscreme bestellt hätten, deren Herstellung einfach weniger kostet.
Man muss schon ein Romantiker sein, um sich für Käse zu engagieren, sein Geld und seine Zeit in Käse zu investieren. Und in der Restaurantbranche ist es sehr gefährlich, ein Romantiker zu sein. Schon immer war die Idee, man könne »den Gast erziehen«, eine selbstmörderische. Wenn man diesen Satz von seinem Geschäftspartner hört, ist normalerweise alles zu spät, man kann nur noch den Blick gen Himmel richten und beten, er möge zur Vernunft kommen.
Aber Terrance Brennan hat seine Gäste tatsächlich »erzogen«, und er tut es noch. Und irgendwie schafft er es, finanziell über die Runden zu kommen, er hat sogar Erfolg und kann expandieren. Nach der Einführung seines Käsekonzepts im Picholine baute er mit dem Artisanal ein ganzes Restaurant darauf auf. Er war den anderen so weit voraus, dass er auch nach Jahren immer noch vorneweg schreitet. Er widerlegte nicht nur mutig die gängigen
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