Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs
Cuisine. Als ich ging, war ich vom Glauben abgefallen, die Saat des Zweifels war ausgebracht - wie die ersten schmerzhaften Stiche der Eifersucht bei einem Liebenden, die alles vergiften können. Und es ging nicht nur mir so. Das ADNY schadete nach Ansicht vieler der Idee vom edlen Speisen in luxuriösen Räumlichkeiten mit einem aufwendigen Service und ließ das alles gefährlich uncool erscheinen. Heutzutage muss man es erklären oder verteidigen, wenn ein Restaurant an diesen altmodischen Werten festhält, und das Essen muss um ein Vielfaches besser sein, um das negative Image wettzumachen.
Um eine entsetzlich abgegriffene Formulierung zu verwenden: Mit dem ADNY wurde der Bogen der Sterneküche überspannt. Ducasse trat aufs Gaspedal, nahm die Hand vom Lenkrad und fuhr das komplette Konzept gegen die Wand.
Als Ducasse mit seiner negativen Einstellung und seinen großmäuligen Ankündigungen nach New York kam, wie exklusiv sein Restaurant sein würde und dass New Yorker eigentlich nicht willkommen seien - es sei denn, sie waren bereits von den Restaurants in Monaco oder Paris mit Ihro Gnaden vertraut -, ließ er auf dem kleinen Terrain, das seine viel schlaueren Landsleute bisher unter sich aufgeteilt hatten, eine gigantische Stinkbombe platzen. Und man kann darauf wetten, dass sie wussten, was ihnen blühte.
Davor hatte man nie gehört, dass ein Mitglied der alten französischen Garde schlecht über die eigenen Kollegen sprach - zumindest nicht öffentlich. Aber das war etwas anderes. Der Kerl schadete allen.
Die kleinen Schemelchen für die Damenhandtaschen, die Palette an Steakmessern, aus der man wählen konnte, die Kellner, die weiße Handschuhe anzogen, wenn sie am Tisch frische Kräuter vom Bund abschnitten. Das verdammte Wasser wägelchen. Die peinliche Auswahl an Montblanc-Füllern, damit man seinen Scheck noch eleganter unterzeichnen konnte. Der dunkle, hässliche und prätentiöse Speiseraum. All das machte jede Aussicht auf eine schöne Zeit zunichte. In diesem Tempel der Hybris konnte nichts gedeihen. Das ausgezeichnete Essen ging völlig unter, die anderen negativen Eindrücke waren einfach zu übermächtig. Und letzten Endes war das Essen auch nicht hervorragend genug, um sich gegen die Absurditäten behaupten zu können.
Wie in Fegefeuer der Eitelkeiten oder Heaven’s Gate (oder den anderen zahlreichen großartigen Beispielen dafür, wenn in der Filmbranche das Ego Amok läuft) gab es so viele Fehleinschätzungen, im Großen wie im Kleinen, dass das ganze verschrobene Spektakel am Ende nicht nur schlecht war, sondern eine Beleidigung. Man verließ das ADNY wütend und gekränkt - empört darüber, dass irgendjemand, und auch noch ausgerechnet dieser abgehobene Franzose, seine Gäste für so blöd halten konnte.
New Yorker mögen es nicht, wenn sie wie Bauerntrampel behandelt werden. Hinterlässt einen üblen Nachgeschmack. Und aus dem üblen Nachgeschmack nach einem Besuch im ADNY wurde schnell mehr - Zweifel, ob diese Form von Luxus überhaupt wünschenswert und - mehr noch - moralisch zu rechtfertigen ist. In der hermetischen Welt der frankophilen New Yorker Gourmets hatten bislang nur wenige diese Fragen gestellt. Jetzt drängten sie sich förmlich auf.
Übrigens gibt es keine Anzeichen dafür, dass Ducasse inzwischen klüger geworden ist. Aber wenigstens war er schlau genug, das ADNY zu schließen. Nachdem erste Gutachten über die Erfolgsaussichten einer »Brasserie« negativ ausfielen, erklärte er, die New Yorker seien mit dieser Art von Speisen nicht vertraut. Es sei Aufgabe der Restaurantkritiker, sie über die Komplexität so exotischer Gerichte wie Blanquette de veau und Choucroute aufzuklären. Was die vielen hervorragenden französischen Köche, die genau diese Gerichte seit Jahrzehnten unter großem Zuspruch in New York anbieten, sicherlich verblüfft hat.
Weil Alain Ducasse ein arroganter Flachwichser ist, der es uns fast allen versaut hätte, ist er ein Schurke.
Terrance Brennan ist ein Held, weil er in der kulinarischen Steinzeit der Einzige war, der Käse so sehr liebte, dass er deswegen hohe Verluste in Kauf nahm. Jahrelang war Brennan, Koch und Besitzer der Restaurants Picholine und Artisanal in New York, der erste amerikanische Küchenchef, der es mit dem Käsegang nach französischem Vorbild wirklich ernst meinte. Nicht dass irgendjemand danach gefragt hätte. Niemand verlangte nach weichen, zerlaufenen, verboten teuren Käsesorten, mit denen nur wenige
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