Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs
Journalisten, den man zu den Allerbesten zählen könnte, ein exzellenter Sätzeschmied mit einem bemerkenswert guten Geschmack bei Restaurants, einem feinen Gaumen und jahrzehntelanger Erfahrung. Aber ich schweife ab. Alles wartet auf den Anpfiff.
Ich habe Alan Richman als aufgeblasenen Arsch bezeichnet.
Und Richman, der große alte Mann der Restaurantkritik, Gewinner zahlreicher James Beard Awards und Autor und Kritiker für GQ, reagierte darauf ganz so, wie es seiner Position und der altehrwürdigen Tradition seiner Zunft entspricht.
Er schrieb eine Kritik über das Restaurant, in dem ich arbeitete.
Tatsächlich war es sogar noch schlimmer. Er schrieb eine Kritik über das Restaurant, in dem ich früher einmal gearbeitet hatte.
Obwohl er im zweiten Absatz seines hämischen Verrisses zugab, er wisse, dass ich seit fast einem Jahrzehnt nicht mehr im Les Halles arbeite, machte er fröhlich weiter und fiel schonungslos über alles her, von den Sitzpolstern über die Beleuchtung bis zum Service und Essen. Er erwähnte ein Dessert, das nicht ganz so furchtbar sei, weil ich es nicht kontaminiert hätte. Eine gründliche Demontage: Die Wörter »schmuddelig«, »bitter«, »geschmacklos«, »missmutig«, »fettig« und »ungenießbar« finden sich alle in wenigen Absätzen.
Bei den großen Zeitungen widmet man der Restaurantkritik nur eine begrenzte Zeilenzahl, daher ist es üblich, sich auf drei Restaurantkategorien zu konzentrieren: 1.) neue Projekte allgemein gefeierter Köche, 2.) die seltenere Entdeckung des Debüts einiger weniger Köche oder 3.) ein Wachwechsel oder ein neues Konzept in einem bekannten, bereits für gut befundenen Restaurant. Das Les Halles entsprach beim besten Willen keiner dieser Kategorien. Richman erklärte mit keiner Silbe, warum er ausgerechnet ein seit sechzehn Jahren existierendes Restaurant mit bescheidenen Ansprüchen bewertete. Les Halles hat durchaus seine Qualitäten, aber es ist weder besonders angesagt, noch bedient es einen aktuellen Trend. Die Speisekarte wurde sicher seit Jahren nicht geändert - und auch bei der Küchenbrigade hatte es keine Änderungen gegeben.
Richman erwähnte in seinem beißenden Verriss auch nicht den eigentlichen Anlass: Nur wenige Wochen zuvor hatte ich ihn wiederholt als aufgeblasenen Arsch bezeichnet. Ich hatte ihn beim South Beach Food and Wine Festival vor der johlenden Menge sogar für den Titel »Aufgeblasener Arsch des Jahres« vorgeschlagen (eine Auszeichnung, die Richman mit Leichtigkeit gewann, wie ich hinzufügen möchte).
Über den Titel, nur einer von vielen, die bei einer albernen, nicht weiter ernst zu nehmenden Zeremonie verliehen wurden (die Moderatoren trugen Shorts und Flipflops), wurde im Internet ausführlich berichtet. Und ich nehme mal an, dass sich Richman angegriffen fühlte.
Zumindest so sehr, dass er den Bademantel auszog, die Katzenhaare vom Jackett bürstete und sich nach Manhattan aufmachte, um nach all den Jahren eine Restaurantkritik über Les Halles zu schreiben. Über eine Brasserie, wo es Steak und Fritten gibt.
Nun, da möchte ich Ihnen, lieber Leser, gern eine Frage stellen: Was wäre, wenn ich Sie, sagen wir … Arschloch nennen würde? Wahrscheinlich würden Sie mich umgehend auch als Arschloch bezeichnen. Oder vielleicht würden Sie noch einen draufsetzen und mich ein verdammtes Arschloch nennen. Oder, besser noch, so richtig persönlich werden: »Ein lautes, egoistisches, einfallsloses Arschloch, das schon viel zu lange vom Ruhm eines widerlichen, testosteronlastigen Buchs zehrt und einfach nur das Maul halten sollte.«
Das wäre vollkommen gerechtfertigt und passend, würde man meinen. Ich beleidige Sie. Sie erkennen die Beleidigung und reagieren mit einer kernigen Erwiderung.
Aber nicht Richman. Er ist schließlich ein Journalist mit makellosen Qualifikationen, ein Kritiker, Lehrer und Schiedsrichter des feinen Geschmacks. Für jemanden wie ihn kommt natürlich kein öffentlicher Beleidigungswettstreit mit irgendeinem dahergelaufenen Koch mit Halbbildung infrage.
Nein. Dieser gestörte, feige Dreckskerl spürt, metaphorisch betrachtet, meine alte Freundin von der Highschool auf - die ich seit Jahren nicht gesehen habe -, schleicht sich von hinten an sie heran und verpasst ihr völlig unerwartet einen Schlag ins Genick.
Das wird mich Mores lehren, was?
Es ist die alte Geschichte: »Wenn ich dir nicht wehtun kann, dann kann ich jemandem wehtun, den du liebst.« Eine Strategie, die umso
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