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Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs

Titel: Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Bourdain
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ungeheuerlicher und jämmerlicher wirkt, wenn man bedenkt, dass Richman, Arsch hin oder her, ein gebildeter Mann ist, der in der Kunst der Beleidigung durchaus Übung hat. Er hätte mich direkt angehen können. Eine Option, die in seinem Verriss von Les Halles nur kurz aufscheint, wenn er mich auf überaus gelungene und lustige Weise mit dem vierschrötigen Actiondarsteller Steven Seagal vergleicht, dessen Filme schon gar nicht mehr in die Kinos kommen, sondern direkt in der Videothek landen. Das nennt man einen Volltreffer. Das hat wirklich gesessen.
    Um Richmans unangebrachte und moralisch fragwürdige Attacke auf meine schuldlosen ehemaligen Kollegen zu verstehen, muss man ein bisschen weiter zurückgreifen und untersuchen, was mich überhaupt dazu brachte, diesen beliebten Titanen des Gastrojournalismus der epischen Arscharroganz zu bezichtigen - und überlegen, ob die Bezeichnung
passt. Entsprach sein Schlag unter die Gürtellinie vielleicht einem typischen Verhaltensmuster?
    Ein Jahr nach der schlimmsten Naturkatastrophe in der Geschichte der USA war New Orleans immer noch am Boden - 1 836 Menschen gestorben, Sachschäden in Höhe von 100 Milliarden Dollar, Tausende Bürger obdachlos, in alle Winde zerstreut, traumatisiert; Besitz, der über ein ganzes Leben angesammelt worden war, Fotos, Erinnerungsstücke, alles weg. Schlimmer noch, die Bürger einer amerikanischen Großstadt mussten erkennen, dass sich ihre Regierung, wenn es hart auf hart kam, überhaupt nicht um sie scherte. Die Stadt befand sich also noch im Schockzustand, ganze Viertel waren verwaist, nur ein Krankenhaus arbeitete im normalen Betrieb, und die Restaurants - die mit zu den Ersten gehört hatten, die nach der Überschwemmung wieder öffneten und verzweifelt versuchten, ihr Personal weiter zu beschäftigen - hatten Umsatzeinbußen von vierzig Prozent. Oder mehr.
    Und da kommt Alan Richman ins Spiel, der in seiner unendlichen Weisheit beschlossen hatte, jetzt sei genau der richtige Zeitpunkt, um die Restaurantszene von New Orleans kritisch unter die Lupe zu nehmen. Er persönlich hatte bereits entschieden, dass New Orleans das bekommen hatte, was es verdiente. Möglicherweise inspiriert von Mike Tysons Anwälten, stürzte er sich gleich auf sein Hauptargument, die Nutte habe »es doch nicht anders gewollt«.
    Es war noch nie eine gute Idee, eine Stadt, die tiefer als der Meeresspiegel liegt, an einer ungeschützten Küste zu bauen … die Bewohner hätten auf diese Fehleinschätzung
auf verschiedene, zugegebenermaßen mühevolle Weise reagieren können, aber sie zogen es vor, weiter ihre endlosen Gelage zu feiern … ein Festival des Narzissmus, der Trägheit und Korruption. Die Tragödie hätte keinen besseren Ort finden können, denn keine Stadt war so ungeeignet, damit fertigzuwerden.
    Er sagt also, dass der schlechte Charakter und die lockere Moral in New Orleans zur Katastrophe beigetragen hätten. Beispielsweise würden die Einwohner zu großen Wert auf gutes Essen legen, schreibt er weiter. Und das von einem Mann, der seit Jahrzehnten davon lebt, sich Delikatessen ins saucenverschmierte Schandmaul zu schieben - und dann so darüber zu schreiben, dass wir das Gefühl haben, wir sollten Essen unbedingt wichtig nehmen. Und wir nahmen es wichtig. Es ist daher unbeschreiblich hinterhältig von Richman, wenn er jetzt behauptet, es sei uns zu wichtig:
    Es klingt vielleicht harmlos, wenn sich eine Gesellschaft auf Essen fixiert, aber es zeugt von Zügellosigkeit. Nennen Sie mir eine Zivilisation, die aufwendige Menüs schätzte, und ich zeige Ihnen ein Volk, das zu behäbig ist, um aufzuspringen und Invasoren abzuwehren.
    Vielleicht interpretiere ich da zu viel hinein, aber eigentlich sagt Richman doch damit: Wenn die fetten Trottel nicht so eifrig dem Dessertwagen zugesprochen hätten, dann hätten sie der Flut davonlaufen können.
    Nachdem er die Opfer für die Katastrophe verantwortlich gemacht hat - eine direkte Folge ihres unmoralischen, gottlosen
Lebenswandels -, stellt er es so dar, als ob Katrina die Strafe für Inkompetenz und Nachlässigkeit sei, eine Art göttliche Vergeltung, eine Strafe für Liederlichkeit.
    Und damit nicht genug, er fragt weiter, ob das Essen in New Orleans überhaupt je gut gewesen sei - und ob die berühmte kreolische Küche von New Orleans je existiert habe. Ein Besuch in New Orleans lohne sich derzeit nicht, und vielleicht - vielleicht - habe er sich auch noch nie gelohnt!
    Möglicherweise findet man Kreolen

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