Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs
ist das Ansehen nur schwer wieder zu reparieren. Eine höhnische Website kann ein junges Restaurant derart behindern, dass es sich gar nicht erst entwickelt.
Wenn man auf Websites wie Grub Street oder Eater wiederholt lächerlich gemacht und als niveaulos und heruntergekommen dargestellt wird, ist es sehr schwer, diesen schlechten Ruf wieder loszuwerden - wie Restaurantbesitzer wie Jeffrey Chodorow zu ihrem Leidwesen feststellen mussten. Heutzutage wird der professionelle Miesmacher vertraulich unterstellen, dass ein Chodorow-Restaurant schon vor der Eröffnung zum Scheitern verurteilt ist. In einer Branche, wo so etwas Nebulöses und schwer Fassbares wie Hype als wesentlicher Faktor für den Gedeih oder Verderb eines Restaurants gilt, ist jeder, der eine Tastatur besitzt, ein potenzieller Feind.
Aber zumindest in einer Hinsicht gelten noch die alten Traditionen. Normalerweise ist es ziemlich einfach, einen Journalisten zu »bekehren«. Ein Gratisessen genügt. Man muss den Verköstigten später nicht einmal daran erinnern. Glauben Sie mir, er wird es nicht vergessen. Das ist, wie wenn man einem bestechlichen Polizisten zu Weihnachten einen Truthahn schenkt. Vielleicht kann er einem nicht direkt helfen - aber er wird zumindest versuchen, einem nicht zu schaden. Und wenn man einen Journalisten oder Webmaster als »speziellen Freund« gewinnen kann, hat man einen mächtigen Verbündeten. Er wird nicht nur Ihr Loblied von allen Dächern pfeifen, sondern auch als Ihr Stellvertreter agieren und alle in die Schranken weisen, die es wagen, Ihre Herrlichkeit anzuzweifeln.
Vor jeder Restauranteröffnung setzt sich die beauftragte PR-Agentur mit dem Küchenchef und dem Besitzer zusammen und geht eine Liste der üblichen Verdächtigen durch, um zu erfahren, wer einem wohlgesinnt ist und wer nicht.
Die meisten Restaurants haben die eine oder andere Version dieser Liste. Die Personen auf der Liste sind normalerweise Leute, die zu einem Essen vor der eigentlichen Eröffnung eingeladen werden möchten. Sie schreiben keine Kritik - noch nicht - und sind damit moralisch betrachtet aus dem Schneider.
Nur die wenigsten wollen, nachdem sie die lächelnde Dame von der PR-Agentur passiert haben, bei der nächsten Restauranteröffnung von der Liste gestrichen werden - vor allem nicht, wenn es ein prestigeträchtiges Edelrestaurant ist oder ein angesagter Küchenchef dort waltet. Sie denken also: »Okay, ich hasse dieses Lokal. Aber wenn ich es zu heftig attackiere, bin ich bei der nächsten Eröffnung nicht mehr dabei - und das könnte dann ein richtig gutes Restaurant sein!« Oder: »Ich mag es wirklich, dass ich immer so kurzfristig einen Tisch bei X bekomme (ein bestehendes Nobelrestaurant mit langer Warteliste). Das will ich mir nicht versauen!«
Was meine Wenigkeit betrifft, muss ich gestehen, dass ich geradezu mafiös verstrickt bin. Obwohl man meine Berichte nicht »Restaurantkritiken« nennen kann - und ich auch kaum noch für Zeitschriften arbeite -, denn von mir darf man nicht die Wahrheit und schon gar nicht die ganze Wahrheit oder etwas in der Richtung erwarten.
Ich bin schon zu lange mit dabei. Ich bin mit vielen Köchen befreundet. Mit anderen bin ich zwar nicht befreundet, aber ich identifiziere mich mit ihnen oder respektiere sie in einem Maße, das mich davon abhält, offen zu meinen Lesern - oder allen anderen außerhalb der Branche - zu sprechen. Nach all den Jahren im Geschäft fühle ich mich immer
noch mit allen verbunden, die in der Küche schuften, daher kann ich keine vertrauenswürdigen Kritiken schreiben. In Milgrams Kleine-Welt-Vernetzung bin ich nur drei Grade von den meisten Köchen dieser Welt entfernt. Ich bekomme jede Menge Gratisessen. Wenn ich zum Beispiel in ein Restaurant von Mario Batali gehen und etwas Unsägliches in der Küche sehen würde - Tieropfer oder satanistische Rituale, Selbstbefriedigung oder etwas Unhygienisches oder zutiefst Verstörendes -, würde ich nie darüber schreiben.
Ich kenne beide Seiten. Den eifrigen Küchenchef, der sich mit Journalisten oder Bloggern »anfreunden« will. Und den bestechlichen, kompromittierbaren Autor - dessen Interessen viel zu sehr mit denen der Leute verquickt sind, über die er schreibt, als dass die Leser ihm vertrauen könnten.
Trotz der vielen furchtbaren Sachen, die ich schon gemacht habe, bin ich doch nie so tief gesunken, dass ich mich … na ja … vielleicht fangen wir besser ganz am Anfang an: bei einem Restaurantkritiker und
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