Ein bisschen blutig - Neue Gestaendnisse eines Kuechenchefs
anmaßend sein und sich weiterentwickeln wollen? Dabei sollte es doch der Mann der Worte sein, der Geschichtenerzähler - dem Dichter so nahe -, den man mit Lob und Reichtum und heimlichen Blowjobs verwöhnt! Nicht diese rohen, ungewaschenen
und ungebildeten Männer, deren Namen nur bekannt sind, weil er, Richman, einst geruhte, sie niederzuschreiben!
Der Satz »Souschef Willie Norkin, der ein Semester in Hauswirtschaft belegt hat und nicht kochen kann« mag von jemandem, der es nicht besser weiß, unterhaltsam sein, von Richman ist er unverzeihlich.
Das System in einer Restaurantküche, die gesamte Aufgabenverteilung der Küchenbrigade ist seit Escoffier dazu gedacht, dass der Küchenchef einen Tag freinehmen kann. Die French Laundry, das Per Se - die Kommandostruktur und Aufgabenverteilung in JEDEM Sternerestaurant basieren auf dem Ideal der Beständigkeit, der Forderung, dass Essen und Service zu jeder Zeit von genau der gleichen Qualität sind, ob der Küchenchef (berühmt oder nicht) nun da ist oder nicht. Richman weiß ganz genau, dass der Küchenchef, sobald sein Name so bekannt ist, dass er profitabel darüber schreiben kann, eher bequem zurückgelehnt in der Businessclass von Cathay Pacific auf einem Flug nach Schanghai anzutreffen ist als in seiner Küche, wenn Richman seinen runzeligen Hintern auf einen Stuhl im Restaurant des besagten Küchenchefs pflanzt. In jedem hervorragenden Restaurant ist das Essen in Abwesenheit des Küchenchefs genauso gut wie in seiner Anwesenheit - sonst wäre es kein hervorragendes Restaurant.
Richmans neunzehntes Gebot ist eine verdammte Beleidigung für all die Leute, die seit Jahren Gerichte für ihn kochen und kreieren. Schlimmer noch, dieser aufgeblasene Arsch weiß es besser. Aber seien Sie versichert: Er hat zwar kein Problem damit, den Leuten, die sein Essen kochen,
den Stinkefinger zu zeigen, schleimt sich aber weiter bei den »Starköchen« ein, die ihn angeblich - natürlich in unser aller Interesse - so empören. Er braucht den Zugang zu ihnen. Ihm gefallen die kleinen Führungen durch die Küche, die Vorschau auf die Speisekarte der kommenden Saison, die Einladungen an »Freunde und Verwandte« vor der eigentlichen Eröffnung eines Restaurants, der gelegentliche, strategisch platzierte Klatsch und Tratsch, die Gratis-Horsd’œuvres, die Geschenkkörbe, die zusätzlichen Gänge im Menü, die Aufmerksamkeit, die Schmeicheleien der wenigen Küchenchefs, die immer noch so tun, als sei das, was Alan Richman schreibt, in irgendeiner Weise relevant.
Alan Richman ist natürlich nicht der Einzige.
Dass er seine Position als Kritiker für persönliche Rachefeldzüge nutzt, stellt ihn in eine Reihe mit anderen auf Eigennutz bedachten Kollegen, die ihre Macht zu ihrem persönlichen Vorteil einsetzen. Nehmen wir John Mariani, den professionellen Vergnügungsreisenden von Esquire, dessen »Vorlieben und Abneigungen« (Duschhaube in seinem Gratishotel, attraktive Kellnerinnen, Shuttleservice) der Hotelleitung vor seiner Ankunft auf mysteriöse Weise, vermutlich telepathisch, mitgeteilt werden. (Das heißt, der Mistkerl verteilt bei seiner Ankunft vorgedruckte Rezeptkarten mit genauen Anweisungen, wie man seinen Lieblingscocktail - einen schlichten Daiquiri - zuzubereiten hat.) Dieser Mann ist seit Jahrzehnten ein unglaublicher Schnorrer. Er wurde schon mehrfach auf frischer Tat ertappt - doch seine Arbeitgeber unternehmen nichts dagegen. Die Chefredakteure begreifen einfach nicht, dass sie soviel dementieren können, wie sie wollen, trotzdem weiß das in der Restaurantbranche
jeder - und ich meine wirklich jeder . Diejenigen, über die Mariani schreibt, fragen sich nicht, ob er bestechlich ist oder nicht. Sie wissen es.
Dadurch ist es cleveren Restaurantbesitzern in Cleveland oder Chicago möglich, sich eine gute Kritik zu »kaufen« - inklusive landesweiter Berichterstattung. Allerdings muss man dichthalten - wie Molekularkoch Homaro Cantu zu seinem Leidwesen feststellen musste. Sonst spuckt man nämlich allen in die Suppe, auch sich selbst. Als Cantu sich öffentlich über Mariani beschwerte und dabei die legendäre Wunschliste erwähnte, die vor seiner Ankunft überreicht wurde, versicherten die Herausgeber von Esquire, Mr. Mariani habe mit einer solchen Liste persönlich nichts zu schaffen - und verschwiegen geschickt, dass die Liste sehr wohl aus seinem Umfeld stammt (einer PR-Agentur vielleicht?). Ähnlich vorsichtig werden die Worte gewählt, wenn es heißt, Mariani
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