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Ein bisschen schwanger

Ein bisschen schwanger

Titel: Ein bisschen schwanger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Dunker
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Wolkendunkel, die letzten goldenen Sonnenstrahlen ließen die Farben der Pflanzen und Tiere stärker leuchten: das Rot der Storchenbeine, das Weiß ihres Gefieders, das Grün der Wasserlinsen. Ich hatte nur Bleistift und Radiergummi dabei, stellte mir aber alles schon farblich vor, als sich plötzlich jemand neben mich auf die Bank setzte.
    Erschrocken fuhr ich auf.
    »Sorry«, sagte er, »ich wollte dich nicht erschrecken. Aber man sieht hier so selten jemanden zeichnen … «
    Es war der Tierpfleger, der im Tropenhaus die Kinder auf den Arm genommen hatte. Ob er mich auch wiedererkannte, wusste ich nicht, er ließ sich nichts anmerken.
    »Schönes Bild«, sagte er. »Fehlt aber noch was.«
    »So? Was denn?«
    »Tja, lass mal sehen … « Er rückte näher heran, nahm mir das Heft aus der Hand, um es genauer zu betrachten, und ich konnte seinen Körper riechen: Raubtiere, Schweiß, Zigaretten, nicht unüblich für jemanden, der hier arbeitete.
    »Hmm … « Er grübelte noch immer. Plötzlich sagte er: »Vielleicht eine knallrote Sonne.«
    »Wie langweilig im Vergleich zu Golfschlangen!«, antwortete ich.
    Offenbar erinnerte er sich. »Ich meine, wegen der roten Storchenbeine. Rot kommt sonst gar nicht mehr vor, die Sonne müsste storchenbeinrot sein, unwirklich rot, und die Wolken wie ausgerissene Federn.«
    Er sah mich an, lächelte. Sein linker unterer Schneidezahn war an einer Ecke abgebrochen, und seine Augen schimmerten ungleichmäßig farbig, eins grün, eins braun, das irritierte.
    »Du malst es doch noch mal in Farbe, oder?«
    »Ja, klar.« Mein Blick huschte von Auge zu Auge und Zahn hin und her.
    »Du kommst öfter her?«
    »Ich arbeite im Streichelzoo.«
    »Ehrlich?« Er sah an mir herunter, ich trug Jeans, Bluse, Lederschuhe, eben Schulkleidung, war noch nicht dazu gekommen, meine Arbeitssachen, die ich in einem Umkleideraum des Bauernhauses aufbewahrte, anzuziehen.
    »Dann kennst du ja auch Rabea?«
    »Äh, ja.« Meine Güte, ich war genauso dämlich einsilbig wie am ersten Tag mit Patrick, als ich die Halsentzündung hatte, dabei fühlte ich mich in diesem Moment alles andere als krank!
    »Dann sehen wir uns bestimmt noch mal wieder.« Er gab mir das Bild zurück, stand auf und winkte einem Mann in einem kleinen Laster, der nun vor uns hielt. »Man hat immer zu wenig Zeit, aber ich komm dich mal besuchen«, sagte er und stieg zu seinem Kollegen.
    »Ich heiße Linda!«, rief ich ihm nach und er winkte aus dem fahrenden Auto heraus.
    Nachdem er verschwunden war, blickte ich auf mein Bild. Eine storchenbeinrote Sonne also. Zum Kichern! Und ich hatte ihm hinterhergerufen. Unglaublich! Und das Beste: Patrick war nicht da und konnte nicht sagen: »Der Irre mit dem rausgeschlagenen Zahn soll dich bloß in Ruhe lassen.« Zum Schlapplachen!
    Ich grinste noch, als ich das Bauernhaus betrat. Rabea kochte gerade Kaffee und wusste sofort, welchen ihrer Kollegen ich meinte. »Martin, mein kleines Brüderchen, es kann kein anderer sein, die Beschreibung passt perfekt!«
    »Dein Bruder?«, fragte ich.
    »Nein, nicht wirklich!« Sie machte eine einladende Bewegung, mich zu ihr zu setzen, an diesem Tag war wenig los, die Saison ging allmählich zu Ende, wir konnten es locker angehen lassen. »Wir kennen uns schon ewig und ich passe ein bisschen auf ihn auf. Martin macht nur Unsinn, wenn man ihn lässt. Was meinst du, welche Bären er Anna schon aufgebunden hat! Wahrscheinlich hat er ihr auch den Floh mit Lotta ins Ohr gesetzt!«
    Das waren mir zu viele Tiere in einem Satz. »Den Floh mit dem Schwein oder das Schwein voller Flöhe?«
    Rabea lachte. »Alles zusammen! Sag mal, hast du Lust, am Samstagabend zu meiner Geburtstagsfeier zu kommen? Martin ist auch da.«
    Ich wurde rot. »Klar, gerne.«
    Mein Glück war kaum zu fassen. Der Ausweg, den ich gesucht hatte, öffnete sich schneller als erwartet und schöner obendrein.

Sonja
    17. September
    »Ich seh dich gar nicht mehr bei den anderen.«
    Sonja hatte geklingelt, ich hatte meinen obligatorischen Blick durch den Türspion geworfen und sie hereingelassen. Wir kochten uns in der Küche einen Früchtetee, nahmen Kekse aus dem Schrank und gingen damit in mein Zimmer.
    »Sie stehen alle unten. Patrick hat mir nachgerufen, ich soll dich mit rausbringen, die anderen wüssten schon gar nicht mehr, wie du aussiehst.« Sonja machte es sich bequem, ich öffnete die Balkontür, so saßen wir drinnen und doch halb draußen, während die welken Blätter von den Pappeln auf den

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