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Ein bisschen schwanger

Ein bisschen schwanger

Titel: Ein bisschen schwanger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Dunker
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Noch-nichtSchule.
    »Was ist los?«
    »Nichts. Was soll sein?« Ihre Stimme klang zickig. »Du bist es doch, Linda, die sich verändert hat! Du kommst nicht mehr zu uns! Du interessierst dich nicht mehr für uns! Und jetzt sag bloß nicht, es sei nur wegen Patrick! Du rufst keinen von uns an, bist nachmittags nie da und sagst nicht mal, wohin du gehst! Du hast Patrick in den Wind geschossen und uns gleich mit! «
    Ich hatte eine solch klare Ansage von ihr nicht erwartet und war erschrocken. Das sah man mir sicher auch an.
    »Ist doch wahr!«, fauchte Melanie aufgeregt, suchte etwas in ihrer Tasche, fand es nicht oder hatte das Suchen nur vorgetäuscht, sah hierhin und dorthin, und als ich nichts dazu sagte, wandte sie sich zu Yvonne und Gülsüm um und fing demonstrativ an, die beiden in ein Gespräch zu verwickeln, das nur den Zweck hatte, mich von ihr abzugrenzen.
    Natürlich hatte Melanie Recht, aber Patrick kam jeden Tag in die Straße und ich wollte ihm einfach nicht begegnen. Zwar war es trotzdem geschehen, zweimal hatte er mit den anderen vor dem Haus gestanden, als ich vom Zoo zurückkam. Aber in beiden Fällen war mein Vater dabei gewesen, und Patrick hatte nicht gewagt, etwas anderes zu sagen als ein provokantes »Hallo! Wie geht’s? Grüßt man jetzt nicht mehr? Bleibt man nicht mal ein paar Minuten bei den alten Freunden stehen?«.
    Bei dem Gedanken, dass Patrick meine Clique gegen mich aufzubringen versuchte, begann ich vor Wut meine Finger in die Lehne des Vordersitzes zu krallen. Der grüne Bezug hatte Brandlöcher, schmutzig gelber Schaumstoff quoll aus ihnen hervor. Auf den Sitzen vor mir erzählte eine ältere Frau ihrer Nachbarin von ihrer Tochter, die verheiratet war und einen Liebhaber hatte, der ebenfalls noch verheiratet war. Beide hatten sie Kinder, die sich untereinander nicht ausstehen konnten.
    »Schlimm!«, sagte die Nachbarin.
    »Das ist ein totales Durcheinander«, ereiferte sich die andere, »das ist doch kein geordnetes Leben mehr heutzutage! Was ist, wenn meine Tochter von dem auch noch ein Kind bekommt?«
    In der sowieso schon trüben Stimmung, in der ich mich befand, löste dieser Satz eine Alarmglocke in meinem Kopf aus. Welcher Tag war heute? Hätte meine Periode nicht schon längst …?
    »Hey, wir müssen raus!« Melanies Ellenbogen drückte unsanft in meine Seite, ihre Tasche hatte sie schon halb auf meinen Schoß gestellt. »Was ist, träumst du, oder was?«

Auswege
    15. September
    Im Tierpark konnte ich alle meine Sorgen vergessen.
    Die Anlage ist ziemlich weitläufig, parkähnlich angelegt mit Ententeich, Wiesen und großzügigen Tiergehegen, die zumindest auf den ersten Blick nicht so aussehen, als würden die Tiere hier in Gefangenschaft gehalten. Aber, dachte ich bitter, mancher Gefangenschaft sieht man auf den ersten Blick nicht an, dass es sich um eine solche handelt. Gerade mal bei meinen Bauernhoftieren konnte ich mir sicher sein, dass sie sich wohl fühlten; wie die Pinguine mit den 28 Grad Lufttemperatur fertig wurden und die Papageien mit dem Fehlen der Urwaldbäume, konnte ich kaum beurteilen.
    Mein Vater argumentierte in solchen Fragen stets damit, dass es Melanies in der Wohnung gehaltener Katze und Omas einsamem Wellensittich auch nicht besser ginge, ebenso wenig dem fetten, asthmatischen Dackel der Przybyllas und den bestimmt von Rückenschmerzen geplagten Schulpferden auf Sonjas Reiterhof. Der Zoo habe heute zumindest noch die Möglichkeit, einen Schutzraum für gefährdete Tierarten zu bieten. Mir waren diese Diskussionen eigentlich egal. Ich brauchte vor allem selber einen Schutzort, an den ich gehen konnte, ohne von Patrick behelligt zu werden, das war das Wichtigste.
    Ich setzte mich auf eine Bank, nahm ein unliniertes Heft aus meiner Schultasche und begann, die Szenerie vor mir zu skizzieren.
    Es war ein zum Zebragehege gehörender, künstlicher Teich, dessen Oberfläche von grünen Wasserlinsen fast bedeckt war. Die Zebras waren gerade nicht zu sehen, dafür hatten sich Gäste an seinen Ufern niedergelassen, die nicht zum Zoo gehörten: ein Graureiher, der mit eingezogenem Hals auf dem sandigen Ufer döste, drei schwarze Kormorane, die auf Stöcken und Hölzern hockten, einer davon mit ausgebreiteten Schwingen, und ein Weißstorch-Pärchen, das mit seinen roten Beinen halb im Wasser stand und unbeweglich in die offensichtlich Nahrung bergende Tiefe starrte. Über ihnen bezog sich der zuerst sommerlich-freundliche Himmel zu einem düsteren

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