Ein bisschen schwanger
ließ mein Krokodilweibchen darin zu Wasser. »Das ist ihr Teich, wer hier schwimmen will, muss an ihrem Maul vorbei. Die meisten werden gefressen.«
»Grr«, machte Martin und ließ sein Gummitier innehalten. »Hast du sie schon mal gehört, wenn sie ihre leisen Knurrlaute von sich geben? Das machen sie nur ganz selten und es klingt super unheimlich, sag ich dir. Ich war schon ein paar Mal dabei, wenn sie gefüttert werden. Denen möchte ich nicht in die Quere kommen.«
Er beugte sich über den Tisch. Sein Gesicht war sonnengebräunt und schmal, er roch wirklich ein bisschen nach Tier, er hatte Dreck am Kragen seines Hemdes und am Hals, er lächelte so keck, dass ich ihm am liebsten den Dreck vom Hals geleckt hätte.
»Und mein Krokodil fress ich jetzt auf, bevor du’s auch noch in den Kaffee tunkst.« Er steckte sich das Weingummi in den Mund, und ich musste mich fast am Stuhl festhalten, um es ihm nicht zu entreißen, ihn nicht gleich zu küssen.
Das war mir mit Patrick nicht so gegangen. Obwohl sie sich ähnelten: verrückte Ideen, sportliche Körper, da waren schon Parallelen. Mit Patrick hatte ich irgendwann alle Vernunft ausgeschaltet und ihn einfach machen lassen.
Und jetzt war ich drauf und dran, selbst den Anfang zu machen; jetzt schlug mein Herz so rasend, dass er es bestimmt unter meinem T-Shirt klopfen sah. Denn er blickte genau dorthin: auf meinen Busen, mein Herz.
»Kommst du morgen Abend auch zu Rabea?«, fragte er. Seine Stimme klang ein bisschen heiser.
»Ja.«
»Schön.« Sein Zeigefinger berührte meinen Hals. Die feuchte, pochende Haut. »Du hattest da ein Gewittertierchen.« »Macht nichts. Solange es kein Ziegenfloh ist.«
Er schmunzelte. »Sah nicht so aus.«
Ich dachte, jetzt küssen wir uns. Jetzt muss es sein. Aber dann taten wir es doch nicht. Er, weil er wohl irgendwie unsicher war, ich, weil ich mich doch eben erst von Patrick getrennt hatte, ich war doch gerade noch das kleine, verhuschte Mäuschen gewesen, war doch gerade erst frei.
Wir trennten uns, verabredeten uns für den Abend. Schon als er nur aufgestanden war und sich eben wenige Meter von mir entfernt hatte, bereute ich, ihn nicht geküsst zu haben: ein nicht auszuhaltender Abstand, vier Meter, sieben, acht, jetzt ging er am Spielplatz vorbei, die Sehnsucht wurde größer, gleich konnte ich ihn nicht mehr sehen, gleich hielt ich es nicht mehr aus, vielleicht sah ich ihn nie wieder und hatte ihn nicht geküsst!
Ich rannte zum Streichelzoo hinunter und wusste nicht, warum ich rannte. Vielleicht weil ich damals, als Patrick mir seine Liebeserklärung gemacht hatte, auch am liebsten gerannt wäre und es nicht gekonnt hatte. War ich jetzt verliebt? War ich es damals? Ich wusste es nicht. Ich brauchte vielleicht nur jemanden, in dessen Arme ich flüchten konnte, der mich vor Patrick beschützte, der mir sagte, die neue Zeit hat angefangen, deine Zeit, Linda, du bist ihn jetzt los, endgültig. Ich rannte, schnappte nach Luft, erreichte das Bauernhaus, sah Rabeas erstauntes Gesicht und sagte: »Jetzt beginnt meine Zeit, mein Leben!«
»Jetzt erst?«, fragte Rabea verwundert und belustigt.
»Ja. Weißt du eigentlich, dass das hier ein Paradies ist?«
»Noch nicht. Inwiefern denn? Sagst du’s mir?«
»Weil er nicht hierhin kann, Rabea! «
Kurzes, irritiertes Auflachen. »Wer?«
»Patrick Garbner. «
»Kenn ich nicht.« Rabea wandte sich um, nahm einen Besen in die Hand, überlegte es sich dann aber wieder anders und sah mich ernst an. »Ist alles klar, Linda?«
»Bestens!« Ich wischte mir über die Stirn, sagte aufgedreht: »Patrick Garbner ist mein Ex.« Ich versuchte, meinen Atem unter Kontrolle zu bringen, nicht wieder all die unangenehmen Gefühle hochkommen zu lassen: Angst, Scham, Schuld. Es hatte ja auch gute Zeiten gegeben, vor Patrick sowieso, aber auch mit ihm, das ein oder andere Mal war ich sehr glücklich gewesen, natürlich war ich das, das musste doch so gewesen sein! Ich hatte ihn doch schließlich geliebt oder warum waren wir so lange zusammen gewesen?
»Liebeskummer?« Rabea legte mir einen Arm um die Schultern, winkte mit der anderen Hand einen kleinen Jungen zurück, der eine junge Ziege quer durch das Streichelgelände jagte.
»Quatsch. Im Gegenteil!«
»Warum weinst du dann? Komm, setz dich erst mal. Ich bin gleich bei dir, ich muss nur erst das Zicklein da vor diesem Bengel retten. Der jagt es einfach immer wieder, obwohl ich ihm schon dreimal gesagt habe, er soll es lassen.«
Ich ließ
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