Ein bisschen schwanger
sich auf einen Küchenstuhl plumpsen. Einen Moment sah es so aus, als würde sie selbst anfangen zu weinen, dann aber lachte sie wieder. »Wem geht das nicht manchmal so!«, sagte sie leichthin und griff nach dem gelben Legostein. »Der Salat hätte ohne unsere leckere Beigabe sowieso nicht gut geschmeckt.«
Ich musste auch lachen. »Du spinnst, echt!«
»Was soll ich machen?« Sie zuckte die Achseln. »Eigentlich war abgemacht, dass meine Mutter Anna heute Nachmittag nimmt, aber dann ist ihr was dazwischengekommen und Björn hatte so kurzfristig natürlich auch keine Zeit. Ich muss es eben immer ausbaden, muss immer Zeit haben! Aber daran gewöhnt man sich.«
»Wirklich?«, fragte ich leise und begann die Überreste des Salats aufzusammeln und in den Mülleimer zu werfen.
»Ja! Mein Problem ist nur, dass ich Anna wohl nicht richtig erziehen kann. Jetzt, da sie in ihrem Zimmer ist und heult und schmollt, möchte ich schon wieder hingehen und sie trösten. Ich kann einfach nicht böse mit ihr werden. Ich sag zwar schon mal ›Jetzt ist Schluss!‹ oder ›Genug!‹ oder ›Nein, du darfst das nicht!‹, aber irgendwie macht sie doch immer, was sie will. Vielleicht nimmt sie mich nicht richtig ernst, ich weiß es nicht!«
»Ach, das glaube ich schon. Du bist halt ’ne liebe Mutter.«
»Meinst du? Na ja, immerhin ist meine Autorität schon größer geworden, seit ich nicht mehr bei meinen Eltern wohne. Da kam ich mir die ganze Zeit wie Annas ältere Schwester vor. Meine Eltern haben alles bestimmt, ich musste mir wirklich laut vorsagen: Rabea, das ist dein Kind, du musst das jetzt entscheiden.« Sie stand auf. »Und ich entscheide jetzt, dass ich sie trösten gehe. Aber in ihrem Zimmer bleiben muss sie trotzdem, bis wir fertig sind. – Linda, hör auf zu putzen, es ist sauber genug.« Sie lachte. »Bei mir ist es nie hundertprozentig sauber!«
Später, als wir doch noch alles irgendwie geschafft hatten und uns einen Moment Pause gönnten, kam Anna wieder zu uns, krabbelte auf meinen Schoß, als ob kein Streit gewesen wäre, und schenkte mir stolz ein Bild, das sie gerade gemalt hatte.
Ich war ein bisschen verlegen, als sie mir das Blatt reichte und sich von mir eine Geschichte zu den gemalten Tieren wünschte. Stotternd erzählte ich irgendwas von Lotta und Plumpsi und dem Tiger, der auszubrechen versucht, um beide zu fressen. Anna schlief ein. Ich traute mich nicht, sie zu wecken, und berichtete Rabea im Flüsterton, dass ich selbst gern male. Ich beschrieb meine Bilder, erzählte ihr, wie ich mir beim Malen vorstellte, selbst in diesen paradiesischen Urwelten und Urwäldern zu sein, und von meinem Traum, irgendwann mal weit fortzureisen, nach Afrika, Asien, Südamerika, wie ich reisen und malen würde, weit, weit fort von zu Hause.
»Da würde ich auch gern mitfahren.« Rabea strich Anna zärtlich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Sie könnte ja bei Björn bleiben. Neuerdings freut er sich immer, wenn sie kommt. Würdest du mich denn mitnehmen?«
»Klar!« Ich bekam schon vor lauter Vorfreude einen roten Kopf.
»Okay, dann machen wir das. Ich habe tatsächlich einiges nachzuholen. Ich will ja nicht ewig im Zoo versauern, vielleicht bekomme ich irgendwann doch noch mein Bio-Studium fertig und dann reisen wir zusammen, du malst und ich forsche für meine Diplomarbeit oder so.«
» Das wäre toll!«
So saßen wir und schwärmten und träumten und schmiedeten Pläne, bis die Quiche aus dem Backofen geholt werden musste, Anna erwachte, mir die Beine eingeschlafen waren und ich beschloss, vor Beginn der Party noch einmal schnell nach Hause zu gehen, um mich umzuziehen.
Jagd
20. September, 18 Uhr
Vor dem Haus kein Patrick. Gut!
Ich duschte, zog mich singend um und setzte mich noch ein Weilchen in den Garten zu meinen Eltern, die den Spätsommerabend ausnutzten und draußen ein Glas Rose tranken. Mein Vater erzählte von der Arbeit und dass er im Tierpark bisher nur Gutes über mich gehört habe. Er war stolz und ich freute mich darüber. Überhaupt war alles schön, das rote Laternchen mit dem brennenden Teelicht auf dem Tisch, das ich meiner Mutter letztens geschenkt hatte und das ihr offensichtlich gut gefiel, der leckere Wein, der Blick auf unser Haus, den gelbbelaubten Baum, die erleuchteten Fenster, das aufkommende Hierbin-ich-zu-Hause-Gefühl, die Vertrautheit mit meiner Mutter, die fragte, wann sie mich später von der Party abholen solle, die Nähe zu meinem Vater, der den Arm um mich legte,
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