Ein bißchen Single - und andere bühnenreife Vorstellungen
putze die Wohnung (eine sinnlose Anstrengung mit Justin als Mitbewohner, aber ich kann es trotzdem nicht lassen), manchmal werde ich von einem tückischen Ausverkauf in die Falle gelockt und verbringe den Nachmittag damit, mich selbst davon zu überzeugen, dass ich dringend noch ein weiteres schwarzes T-Shirt brauche. Wenn ich dann lange genug in
Midtown
herumgebummelt bin, gehe ich normalerweise direkt zu
Lee and Laurie
. Manchmal bin ich sogar pünktlich! Und nun raten Sie, wohin ich danach gehe? Natürlich zu Kirk.
Freitag:
Rise and Shine
. Und nachdem ich keine Schicht bei
Lee and Laurie
habe und keine Lust, irgendein Selbstverwirklichungs-Projekt zu starten, finde ich schon eine Möglichkeit, den ganzen Tag zu vergammeln. Indem ich zum Beispiel alle Filme von Bette Davis ausleihe. Oder eine Pediküre mache. Bis Kirk und ich dann zusammen zum Abendessen gehen oder einfach nur in der Wohnung rumhängen wie ein altes verheiratetes Paar (nicht, dass
ihm
das auffallen würde).
Samstag: Die gefürchtete Zehn-bis-sechzehn-Uhr-Schicht bei
Lee and Laurie
. Nach so einem Tag kann mir niemand vorwerfen, dass ich danach direkt zu Kirk gehe, wo wir Essen bestellen und den Abend vor dem Fernseher oder im Kino verbringen.
Sonntag: Der Tag der Erholung. Es sei denn, meine Mutter kann mich von der Notwendigkeit überzeugen, nach
Marine Park
zum Familienessen zu fahren. Kirk kommt natürlich mit. Schließlich liebt er die Kochkünste meiner Mutter. Kirk sagt zu einem Sonntag in Brooklyn niemals nein.
Kirk und ich könnten genauso gut heiraten. Was wäre denn der Unterschied?
„Den Ring“, erklärte Michelle ein wenig ungeduldig, als ich mich am nächsten Tag darüber beschwerte, wie sehr ich litt und fragte, was das alles bringen sollte.
Also blieb ich noch einen weiteren Abend hart und erzählte Kirk, dass ich gerade an einem Monolog arbeitete.
„Ach wirklich?“ fragte er überrascht.
Natürlich war er überrascht. Ich hatte, seit
Rise and Shine
zu einem Kabelfernseh-Phänomen geworden war, keinen Vorsprechtermin mehr gehabt. Warum auch? Ich war in meinem gelben Trikot schließlich auf dem Weg, eine Superberühmtheit zu werden.
Doch plötzlich hatte ich das Bedürfnis, wieder zu meinem früheren Ich zu finden. Ich war einmal eine Schauspielerin gewesen, die die Fefu in
Fefu and Her Friends
gespielt hatte. (Sie sollten sich von dem Namen nicht in die Irre leiten lassen – es war eine
ernsthafte
Rolle). Ich war eine Frau, die in der
Classic Stage Company
das Publikum mit ihrer kraftvollen Darstellung der Miss Julie begeistert hatte. Falls sie sich schon gewundert haben, ja, ich war einmal jemand, mit dem man rechnen musste. Aber eine Schauspielerin muss ja auch irgendwie ihren Lebensunterhalt verdienen …
„Was machst du denn hier?“ fragte Justin, der von weiß der Herrgott woher nach Hause kam. Ich wusste, dass er nicht von der Arbeit kam. Er arbeitete kaum noch, seit er vor einem Jahr eine Rolle in einem Werbespot eines Telefonanbieters für Ferngespräche bekommen hatte. Was ich ziemlich ironisch fand, wenn man bedachte, dass er selbst meist Wochenendbeziehungen führte (ja, Lauren war nicht die erste).
Der Werbespot, in dem Justin außer Atem und hinreißend aussehend über den Campus rennt, die Treppen zum Studentenwohnheim hinaufhetzt, um das Ferngespräch von seiner Mutter entgegenzunehmen, lief so gut, dass noch zwei weitere mit ihm gedreht wurden. Einer, in dem Justin über Dächer springt, ein anderer, in dem er einen Sicherheitswagen auf dem Campus klaut. Der Erfolg hing überwiegend mit seinem wahnsinnig glücklichen Lächeln zusammen, als er den Hörer abnahm und „Hi Mom“ sagte. Ebenfalls ironisch, nachdem seine Eltern, als er zwölf war, bei einem Autounfall ums Leben kamen und er bei seiner Tante Eleanor und Uncle Burt aufwuchs. Die beiden waren nun ebenfalls seit über neun Jahren tot. Vielleicht lag etwas von der Sehnsucht nach seinen Eltern in diesem Lächeln. Was auch immer es war, der Werbespot lief so oft – sogar in den Werbepausen des
Superbowl
-Sonntags –, dass Justin noch immer von den Tantiemen leben konnte.
„Nach was sieht es denn aus?“ fragte ich zurück. Manchmal ging es mir auf die Nerven, wie einfach Justins Leben war, das muss ich zugeben.
Er ignorierte meine genervte Antwort und ließ sich neben mir auf die Couch plumpsen.
„Wo ist Kirk?“ fragte er. Selbst Justin hatte also den Eindruck, dass es etwas bedeuten musste, wenn ich unter der Woche nicht bei Kirk
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