Ein bissfestes Abenteuer
diese furchtbaren Schreie aus dem Keller«, erinnerte sie sich. Helene hatte gedacht, ihr Hörgerät wäre kaputt.
Daka nickte. »Die waren echt unheimlich.«
»Ich glaube, ich will gar nicht wissen, was bei den Schwarzers im Keller abgeht.«
»Ich schon«, sagte Daka.
In dem Moment kam der Pförtner aus dem Ausstellungsraum mit den Stellwänden. Er klapperte mit einem großen Schlüsselbund und trieb zwei besonders hartnäckige Besucher Richtung Ausgang. Nachdem die Besucher durch die hohe Tür nach draußen verschwunden waren, war das Foyer menschenleer. Bis auf Pförtner Schnölzel und zwei Halbvampire.
Der Pförtner drehte sich zu den Zwillingen um. »Feierabend für heute, auch für die jungen Damen«, sagte er und deutete zur Tür.
»Wir warten auf unsere Oma«, sagte Daka.
»Frau Wagenzink«, ergänzte Silvania.
Das Gesicht des Pförtners hellte sich auf. »Ah, ihr seid die Enkeltöchter aus Siebenbürgen.«
Silvania und Daka stellten sich gerade hin, nickten und lächelten. Sie wussten, dass das bei Erwachsenen gut ankam.
Herr Schnölzel lächelte zurück. Keiner sagte etwas. Schließlich kratzte sich der Pförtner am Kopf. »Na ja, ich nehme mal an, dass ihr hier keine Dummheiten anstellt. Eure Oma kommt sicher jeden Moment. Ich geh dann noch mal schnell aufs stille Örtchen, bevor meine Nachtschicht anfängt.«
Daka und Silvania nickten und lächelten wieder. »Auf Wiedersehen!«, riefen sie Herrn Schnölzel nach, der mit kleinen schnellen Schritten um die Ecke zu den Toiletten verschwand.
Dann waren Daka und Silvania allein im Foyer. Ohne die wimmelnden Besucher wirkte der Raum groß und kühl. Der Sekundenzeiger auf der großen Uhr an der Wand gegenüber lief unermüdlich und tonlos seine Runden. Die Schwestern standen vor der Bronzestatue und warteten. Der Sekundenzeiger umrundete das Ziffernblatt zum zweiten Mal. Sie warteten. Der Sekundenzeiger umrundete das Ziffernblatt zum fünften Mal. Sie warteten. Der Sekundenzeiger umrundete das Ziffernblatt zum zehnten Mal. Sie warteten.
Als elf Minuten vergangen waren, wurden die Zwillinge nervös. Wo blieb ihre Oma? Wieso kam der Pförtner nicht zurück? Sie sahen sich ratlos an. Auf einmal fühlten sie sich im verlassenen Foyer ganz klein. Ein seltsames Gefühl kroch ihnen wie eine Schlange über den Rücken. Es war eine Mischung aus Sorge, Neugierde und Angst.
Das
Geburtstagsgeschenk
G ina Golert hatte am Abend zuvor mit ihrem Bruder Marko ihren 37. Geburtstag gefeiert. Sie hatten sich bei einem Italiener eine Platte mit Meeresfrüchten für zwei Personen geteilt. Doch das richtige Geburtstagsgeschenk würde sich Gina heute mithilfe ihres Bruders selbst abholen. Und zwar aus dem Kunstpalais.
Bis jetzt war die ganze Aktion das reinste Picknick. Alles lief nach Plan. Wie bei all den Kunstrauben zuvor war es auch dieses Mal einfach gewesen, die Waffen ins Museum zu schmuggeln. Was vermutlich daran lag, dass es Spielzeugwaffen waren. Verblüffend echt aussehende Spielzeugwaffen. Vielleicht lag es aber auch an Ginas Schauspieltalent oder an ihren großen dunkelgrünen Augen, dass die Leute ihr vertrauten und dachten, sie würde keiner Fliege ein Haar krümmen können.
Marko wirkte mit den breiten Schultern und der untersetzten Figur nicht ganz so friedliebend. Aber das zählte auch nicht zu seinen Aufgaben. Im Gegenteil: Je gefährlicher er aussah, desto besser.
Die Geschwister Golert hatten ihr Handwerk von Onkel Alfred gelernt, bei dem sie aufgewachsen waren. Onkel Alfred handelte offiziell mit Antiquitäten. Inoffiziell arbeitete er mit den besten Kunsträubern der Welt zusammen. Gina und Marko stellten sich bald als begabtes Gangsterpaar heraus. Während sich Gina zur Kunst- und Museumsexpertin mauserte, wurde Marko zum Spezialisten für Kampfsport, Schlösser und Tresore. Sie waren das perfekte Team. In Kunsträuberkreisen raunte man sich respektvoll ihre Namen zu. Galt ein Coup als unmöglich, sagte man: Das Ding drehen höchstens die Geschwister Golert.
Keiner in der Branche, noch nicht mal Onkel Alfred, wusste, dass die Golert-Geschwister all ihre sagenhaften Kunstraube mit Spielzeugwaffen verübt hatten. Beim ersten Kunstraub war es noch aus Not geschehen. Sie hatten damals nicht genug Geld und Beziehungen, um sich echte Waffen zu besorgen. Doch die Golerts merkten schnell, wie praktisch Spielzeugwaffen waren: Sie waren leicht zu besorgen und leicht durch Sicherheitsschleusen zu schmuggeln. Dabei hatten sie die gleiche einschüchternde
Weitere Kostenlose Bücher