Ein bissfestes Abenteuer
Wirkung wie echte Waffen. Zumindest, wenn man dementsprechend entschlossen auftrat. Und das taten die Golerts. Gina und Marko brauchten keine echten Waffen. Sie waren an Kunst interessiert, nicht daran, jemanden zu erschießen.
Doch das war nicht das einzige Geheimnis der Gangster. Keiner wusste außerdem, dass die Geschwister planten auszusteigen. Diesen Coup im Kunstpalais würden sie noch durchziehen, aber dann war Schluss. In ihrer Jugend hatten sie den Kick genossen: Sie waren Gangster! Aber jetzt wollten sie nur noch eins: stinknormale Leute sein. Marko wollte um die Hand der Bibliothekarin in seinem Heimatort anhalten und ein anständiges Leben mit Hausschuhen, drei Kindern und der Sportschau führen. Gina wollte nach Neuseeland auswandern und eine Schaffarm aufbauen. Sie mochte Schafe. Ihr Blöken beruhigte sie. Ihre Wolle war weich. Vielleicht würde sie sogar mit dem Stricken anfangen.
Marko richtete die Spielzeugwaffe auf die Geiseln. Gina musterte sie mit ihren großen grünen Augen. »Du!«, sagte sie zu dem Mann. »Schaltest die Alarmanlage und die Videoüberwachung aus.« Ginas Stimme war leise, aber bestimmt.
Die Unterlippe des Mannes zitterte. Er starrte auf den Lauf der Waffe. »Das ge-ge-ge-geht nicht.«
Gina zog eine Augenbraue hoch. »Wie bitte?«
»D-die Alarmanlage kann ich ausschalten. Aber nicht die Videoüberwachung. Die wird von der Zentrale im Nebengebäude gesteuert und von einem Kollegen dort ü-ü-überwacht.«
Marko stöhnte.
Gina zeigte keine Regung. Das lief nicht mehr nach Plan. Aber an einer einfachen Videoüberwachung scheiterte noch lange kein Kunstraub. Und ganz sicher nicht der letzte Kunstraub der Geschwister Golert. Gina hatte schon eine Idee. Vielleicht war es doch ganz gut, zwei Geiseln zu haben.
In der Falle
D aka starrte auf die Uhr an der gegenüberliegenden Wand. Jetzt standen sie bereits seit fünfzehn Minuten allein im Foyer des Kunstpalais. »Irgendetwas stimmt hier nicht.«
»Vielleicht bekommt Oma Rose die Klotür nicht wieder auf. Oder sie hat den Pförtner im Angestelltenraum getroffen und schwatzt noch mit ihm«, meinte Silvania.
»Lass uns nachsehen.« Bevor Silvania etwas einwenden konnte, war ihre Schwester schon um die Ecke gebogen. Auf der linken Seite des langen Ganges befand sich eine Tür mit der Aufschrift Nur für Personal. Daka blieb davor stehen und lauschte. Sie hörte nichts.
Silvania lauschte ebenfalls. Sie hörte auch nichts.
Daka hob die Faust zur Tür und sah ihre Schwester fragend an.
Auf einmal musste Silvania an Ludos Warnung denken. Geht heute auf keinen Fall ins Kunstpalais. Ludos Stimme hatte ernst und beschwörend geklungen. Nicht nach einem Scherz. Was, wenn an seiner Warnung doch etwas dran war? Was, wenn hinter dieser Tür irgendetwas ... etwas Gefährliches vor sich ging? Dann sollten sie vielleicht nicht höflich klopfen. »Am besten, wir stürmen einfach rein«, flüsterte Silvania ihrer Schwester zu.
Daka nickte und ließ die Faust wieder sinken. Ihr waren ähnliche Gedanken durch den Kopf gegangen.
Silvania legte die Hand auf die Klinke und zählte leise: »Onu, zoi, trosch!« Dann stieß sie mit aller Kraft die Tür auf und stürmte mit Daka an der Seite in den Raum.
Sie starrten geradeaus. Sie sahen nach links. Sie sahen nach rechts. Sie sahen sogar an die Decke. Nichts. Der Raum war leer. Es gab keine Oma Rose. Und keinen Pförtner Schnölzel.
»Guck mal, Omas Handtasche!«, sagte Daka und zeigte auf ein Regal.
»Und ihre Jacke.« Silvania deutete zum Garderobenständer. »Also ist sie noch auf Toilette.« Silvania war erleichtert. Fünfzehn Minuten auf Toilette ließen sich erklären. Schwippschwägerin Luda aus Oklahoma hatte mal den ganzen Nachmittag auf Toilette verbracht. Aber sie redete nicht gern darüber.
»Komm, wir gucken nach, ob alles okay ist«, sagte Daka. »Vielleicht ist sie eingeschlafen.«
Die Schwestern schlossen die Tür des Angestelltenraums und traten wieder auf den Gang. Ein paar Schritte weiter befand sich auf der rechten Seite eine Tür mit der Aufschrift Toiletten. Dieses Mal dachten die Mädchen nicht lange nach. Daka drückte die Klinke hinunter und die Zwillinge betraten mit hastigen Schritten den Toilettenvorraum.
Sie erstarrten augenblicklich. Auf dem Fußboden, zwischen der Tür zur Herrentoilette und zur Damentoilette, saßen Oma Rose und Pförtner Schnölzel. Rücken an Rücken. Ihre Hände waren hinter dem Rücken mit einem dicken Seil gefesselt. Sie hatten die Augen
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