Ein Blick genuegt
einmal dort gewesen war, um Hadley zu ermorden. Er überlegte, ob es ihr etwas ausmachen würde. Doch da er wusste, wie Hadley seine Angestellten, nein, wie er jeden behandelte, wäre sie wahrscheinlich dankbar.
In dem Moment, da er das Arbeitszimmer betrat und Mason Hadleys Porträt über dem großen Eichenschreibtisch hängen sah, spürte er sie wieder. Die Wut, mit der er all die Jahre gekämpft hatte. Sie brodelte erneut in ihm, doch er zwang sich zur Gelassenheit.
„Alles in Ordnung, Mr. …” Das Mädchen zögerte, als ihr offenbar auffiel, dass sie nicht nach seinem Namen gefragt hatte.
„Mir geht es gut, Heather.” Er hatte nicht die Absicht, ihr zu verraten, wer er war. Er wollte die Überraschung auf Hadleys Gesicht sehen, den Schock, wenn er seinen Besucher erkannte.
Mit allem, mit jedem Risiko, jedem Geschäft, jedem achtzehnstündigen Arbeitstag während der letzten zehn Jahre hatte er immer nur ein Ziel gehabt: den Moment der Rache.
Tausende von Malen hatte er es sich vorgestellt: wie Hadley sich fühlen, was er denken, was er sagen würde. Was Hadley tun würde.
Als er nun eine Wagentür zuschlagen hörte, wusste Lucas, dass er es gleich herausfinden würde.
Julianna Hadley hatte schon von dem Fremden gehört, der in die Stadt gekommen war. Im Drugstore hatte sie hinter Roberta Brown angestanden, die mit der Verkäuferin Millie Woods darüber stritt, ob das Auto, das der Mann fuhr, ein Porsche oder ein Ferrari war. Die beiden Frauen konnten sich schließlich lediglich darauf einigen, dass es sich um einen schwarzen Wagen handelte, der die Hauptstraße entlanggebraust und wie ein glänzendes Höllenfahrzeug auf dem Parkplatz des Four Winds Inn zum Stehen gekommen war.
An sämtlichen Fenstern in Sichtweite des neuesten und größten Hotels der Stadt hatten sich die Leute die Nase platt ge drückt. Aber mehr als eine Haarpracht, die genauso schwarz glänzte wie sein Auto, hatte niemand von dem Fremden erkennen können, als er seinen großen Körper aus dem schnittigen ausländischen Wagen schlängelte. Er hatte gepfiffen und die Schlüssel Bobby John Gibson ausgehändigt, dessen Status unter seinen jugendliche n Freunden um einiges steigen würde. Schließlich hatte noch kein Teenager in Wolf River jemals auch nur in der Nähe eines Porsche oder Ferrari gestanden, geschweige denn ein solches Auto gefahren. Dies war Pferde-und Viehland. Last-und Geländewagen beherrschten das hiesige Bild.
Aber ein schwarzer Sportwagen! Das versetzte die Stadt in Aufregung - und ein bisschen Aufregung konnte der Ort gut vertragen.
„Was, zum Teufel…?”
Das Schimpfen ihres Vaters riss Julianna aus ihren Gedanken, und sie schaute auf.
Auf ihrer Auffahrt stand in all seiner glänzenden Pracht ein schwarzer, nagelneuer Sportwagen.
Ein Ferrari.
Sie hielt kurz den Atem an und meinte dann leise: „Er sieht phantastisch aus.”
„Er ist verdammt ausländisch!”, fuhr ihr Vater sie an und stieg aus, um ins Haus zu gehen.
Das macht ihn nicht weniger phantastisch, dachte Julianna, wusste aber, dass es sinnlos war, mit ihrem Vater darüber zu dis kutieren. Alles was anders war, alles, was er nicht verstand, war in seinen Augen wertlos.
Mit Paketen beladen folgte Julianna ihrem Vater ins Haus. Heather stand am Eingang, in den Händen ein Tablett mit dem silbernen Kaffeeservice. Die Tassen klirrten, da Heather vor Nervosität zitterte, als Mason sie zornig schalt, weil sie einen Fremden ins Haus gelassen hatte.
„Es ist Ihre Verabredung, Sir. Er sagte, dass Mr. Cantrell abreisen musste.” Mit gesenktem Blick versuchte Heather das Zittern ihrer Hände zu kontrollieren. „Ich wollte ihm gerade Kaffee bringen.”
„Verflucht”, zischte Mason. „Dieser Cantrell war zwar ein Idiot was Geschäfte anging, aber zumindest wusste ich bei ihm, woran ich war. Ein feiner Brandy und eine kubanische Zigarre und dieser Junge fraß mir aus der Hand. Ist jetzt aber auch egal. Das Geschäft ist perfekt. Dies wird wohl irgendein Botenjunge sein, der die Papiere bringt, die ich letzte Woche unterzeichnet habe.”
Ein Botenjunge in einem Ferrari? Julianna schaute auf die ge schlossene Bürotür. Sehr unwahrscheinlich.
„Was, zum Teufel, stehst du noch hier herum, Mädchen?” Mason zog seine Jeansjacke aus.
„Bring dem Jungen den Kaffee.”
„Gib mir das, Heather.” Julianna stellte ihre Pakete ab und nahm das Tablett. „Warum nimmst du nicht meine Sachen und stellst sie weg?”
Dankbar, ihrem übel gelaunten
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