Ein Blick sagt mehr als 1000 Worte
dass er seinem Kind so ungerührt den Rücken kehren konnte. „Richtig, geh nur und setze dein Leben aufs Spiel“, stieß sie bitter aus. „Mehr kann man von dir auch nicht erwarten. Du würdest alles tun, um einem Gespräch, bei dem du deine Gefühle preisgeben müsstest, auszuweichen.“
Er blieb stehen und drehte ruckartig den Kopf zu ihr herum. Seine wutentbrannte Miene ließ Gina unwillkürlich einen Schritt zurückweichen. Das Schweigen zwischen ihnen dehnte sich. Dann erlosch das wütende Funkeln in Lanzos Augen, sie wirkten plötzlich wie tot.
Ohne ein Wort verließ er das Zimmer und schlug die Tür hinter sich zu, so laut, dass der Knall noch lange in Ginas Ohren nachhallte.
8. KAPITEL
Richard und Sarah Melton lebten in einer Neubausiedlung am Stadtrand von Poole. Lanzo parkte den Wagen in der Sackgasse und blickte auf die sechs identischen Einfamilienhäuser, die in einem Halbrund gebaut waren. Die Meltons lebten in Haus Nummer vier.
Als Lanzo den Weg zur Haustür hinaufging, konnte er durch das große Fenster eine Wiege im Wohnzimmer stehen sehen. Sein Herz stotterte seltsam, auch wenn er wusste, dass es nicht sein Kind war, das dort in der Wiege lag.
Das Baby der Meltons war vor zwei Monaten zur Welt gekommen. Ein Junge, wie Gina ihn während des kurzen Telefonats hatte wissen lassen. Während des einzigen Telefonats. Viel mehr hatte sie eigentlich nicht gesagt. Nur noch, dass die Schwangerschaft gut verlief und sie in der achten Woche sei. Ja, sie komme sehr gut zurecht, danke der Nachfrage. Ach ja, und dass sie seine Anrufe auf ihrem Mobiltelefon nicht angenommen habe, weil sie nicht mit ihm reden wollte. Sie würde es zu schätzen wissen, wenn er nicht mehr anriefe.
Was erwartete sie von ihm? Dass er die nächsten sieben Monate Däumchen drehte und auf eine Postkarte wartete – „Baby ist da“? Vermutlich genau das, dachte er schwermütig und drückte den Daumen auf die Klingel. Auf jeden Fall hatte er nicht damit gerechnet, dass Gina aus der Villa in Positano verschwunden sein würde, wenn er von seiner Motorradfahrt zurückkam. Er war nur eine knappe Stunde weg gewesen, war über die Küstenstraße gebraust, um die Neuigkeit verarbeiten zu können. Der Schock war inzwischen abgeklungen, seine Einstellung jedoch hatte sich nicht geändert. Er hatte noch immer nicht das geringste Bedürfnis, Vater zu sein.
Eine Frau mit einem Kleinkind auf dem Arm öffnete die Tür.
„Ja, Gina ist hier“, bestätigte Sarah Melton nicht besonders freundlich, nachdem Lanzo sich vorgestellt hatte. „Allerdings weiß ich nicht, ob sie Sie sehen will.“
„Warum lassen wir das nicht Gina entscheiden?“, wandte er höflich, aber entschieden ein. Noch während er sprach, setzte er bereits einen Fuß über die Schwelle. Er runzelte die Stirn, als aus dem oberen Stockwerk eindeutige Würgegeräusche zu vernehmen waren.
„Sie ist im Bad und übergibt sich. Das tut sie jetzt regelmäßig“, setzte Sarah trocken hinzu. „Sie werden wohl eine Weile warten müssen.“
Gina rieb sich mit einem nassen Waschlappen über das Gesicht. Keine zwanzig Minuten, und sie hatte ihren Lunch wieder von sich gegeben. Das Gleiche war mit dem Frühstück passiert. Inzwischen überlegte sie ernsthaft, ob sie sich nicht eine Menge Elend ersparen und das Essen direkt in die Toilette kippen sollte.
„Eine kleine Gruppe von Frauen leidet tatsächlich unter extremer Morgenübelkeit, und wie Sie aus eigener Erfahrung wissen, beschränkt sich das nicht nur auf den Morgen. Ihrem Baby schadet das nicht“, hatte ihr Arzt ihr hastig versichert, als sie aus Sorge um ihr Kind fast in Tränen ausgebrochen wäre. „Essen Sie zu den Mahlzeiten kleine Portionen und trinken Sie viel. Und vor allem Ruhe, Ruhe, Ruhe.“
Von den drei Ratschlägen konnte sie nur einem folgen. Flüssigkeiten behielt sie im Magen, jegliche feste Nahrung nicht. Und was die Ruhe betraf … Wie sollte sie ruhig bleiben, während sie sich darüber Sorgen machte, wie sie als alleinerziehende Mutter zurechtkommen würde? Und wenn sie es dann tatsächlich schaffte, Schlaf zu finden, suchten Bilder von Lanzo sie in ihren Träumen heim.
Matt stolperte Gina den Gang entlang zu dem kleinen Zimmer, das Sarah und Richard so gut wie möglich aus der Abstellkammer für sie hergerichtet hatten, als sie nach ihrer Flucht aus Italien aufgelöst und ohne Wohnung in Poole angekommen war.
Die goldene Septembersonne fiel durch die Fenster, sodass die große Gestalt, die an ihrem
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