Ein Blick sagt mehr als 1000 Worte
alle ihre Prinzipien. Sie war stolz darauf, seit dem Ende der Schulzeit immer auf eigenen Füßen gestanden zu haben. Allerdings konnte sie in diesem Zustand wirklich nicht arbeiten. Niemand würde sie einstellen, wenn sie ständig zur Toilette rennen musste.
„Du hast recht, es wäre eine große Hilfe, eine Zeit lang in Ocean View zu wohnen, zumindest bis zur Geburt“, gab sie gefasst nach. „Doch sobald sich das mit der Übelkeit gelegt hat, werde ich mir eine Stelle suchen.“
Lanzo runzelte die Stirn. „Wozu? Du brauchst nicht zu arbeiten.“
„Doch, ich muss. Ich verstehe zwar nicht, warum du meinst, unserem Kind kein guter Vater sein zu können, aber ich werde es genug für uns beide lieben. Und wenn du unser Kind finanziell unterstützen möchtest, so ist das deine Entscheidung … nur möchte ich klarstellen, dass mich dein Geld nie interessiert hat, Lanzo.“
Er hatte sie interessiert. Hastig verdrängte sie den Gedanken. Wenn er nicht einmal sein Kind lieben konnte, dann würde er sie erst recht nicht lieben. Jetzt konnte sie zugeben, dass sie insgeheim darauf gehofft hatte.
Aus irgendeinem Grund hielt er sich für unfähig, einen anderen Menschen zu lieben. Gina vermutete, dass es etwas mit seiner verstorbenen Verlobten zu tun hatte. Nun, so wie es aussah, würde sie es schlicht akzeptieren müssen.
Es ging alles viel einfacher als erwartet. Noch am gleichen Tag wurde Gina von Lanzo in seinem Haus in Sandbanks untergebracht. Er half ihr beim Packen und verstaute ihr Gepäck in seinem Wagen. Als sie wenig später mit den letzten zusammengesuchten Kosmetikutensilien ebenfalls nach unten kam, stand er mit Sarah und Richard zusammen und unterhielt sich mit den beiden, als wären sie jahrelange Freunde.
„Daphne wird hierbleiben und sich um alles kümmern“, informierte er Gina, als die Haushälterin sie in Ocean View begrüßte. „Sie wird dir viele kleine Mahlzeiten zubereiten, damit du Nahrung im Magen behalten kannst. Außerdem hat sie strikte Anweisung, darauf zu achten, dass du dich ausruhst.“
Schon am nächsten Morgen reiste Lanzo wieder ab. „Ich fliege nach New York und sehe mir an, wie die Instandsetzungsarbeiten nach dem Brand vorankommen. Danach muss ich nach Florida und dann weiter nach Moskau. Ich melde mich.“
Gina lag es auf der Zunge zu sagen, dass er sie nicht anzurufen brauchte. Wozu, wenn er sowieso keinen Kontakt zu dem Baby haben wollte? Doch ein Teil von ihr – der gefühlsduselige, wie sie abfällig dachte – war froh darüber, dass er mit ihr in Verbindung bleiben wollte, selbst wenn es nur der eine oder andere Anruf war.
„Planst du auch ein Restaurant in Florida?“, fragte sie neugierig, als sie auf der Treppe vor dem Haus stand.
Er hievte seinen Koffer auf den Rücksitz des Wagens und sah zu ihr hin. „Nein. Ich nehme an einem Powerboot-Rennen in Miami teil.“
Gina biss sich auf die Lippe. Es war dumm, sich zu wünschen, er würde hierbleiben, in dem wunderschönen Haus mit Blick auf das Meer, und die Schwangerschaft mit ihr gemeinsam erleben. Wahrscheinlich würde er vor Langeweile sterben. Er war süchtig nach Gefahr und hatte kein Interesse an dem Baby.
Sie verkniff sich das „Sei vorsichtig“ und sagte nur: „Viel Spaß.“
Lanzo nickte und glitt hinters Steuer. Er fragte sich, wieso er plötzlich überlegte, einen von seinen Angestellten nach New York zu schicken. Daphne wird sich bestens um Gina kümmern, versicherte er sich in Gedanken. Außerdem war Ocean View, wie alle seine Häuser, mit Feuermeldern und Sprinkleranlagen nach dem neuesten Stand der Technik ausgestattet. Gina konnte nichts passieren.
Doch sie wirkte so verloren, als sie ihm von der Treppe aus zum Abschied zuwinkte, und plötzlich musste er an jenen Tag vor zehn Jahren denken, als er sie bei der Farm ihres Vaters abgesetzt und ihr gesagt hatte, dass er nach Italien zurückkehrte.
Noch heute erinnerte er sich an die schimmernden Tränen, die sie so tapfer unterdrückt hatte. Damals hatte er genau das gleiche seltsam leere Gefühl in sich verspürt wie jetzt. Das war auch einer der Gründe gewesen, weshalb er Poole damals verlassen wollte. Als er beim Abschiedskuss das Beben ihrer Lippen an seinen gespürt hatte, war ihm bewusst geworden, dass er ihr das Herz gebrochen hatte. Doch sie war jung, erst achtzehn, das ganze Leben lag noch vor ihr. Sie würde über ihn hinwegkommen.
Und das war sie ja auch. Sie hatte eine Karriere für sich aufgebaut, hatte geheiratet … Sein
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