Ein Boss zum Träumen
war.“
„Das soll in Zukunft anders werden.“ Mit seinem Einsiedlerleben war er jahrelang zufrieden gewesen, doch in letzter Zeit dachte er immer öfter darüber nach, dass es nach neunzehn Jahren, die er hier bereits lebte, Zeit war, die Stadt und ihre Bewohner näher kennenzulernen und nicht nur die wenigen aus seiner unmittelbaren Nachbarschaft. Es käme auch Dylan zugute.
„Wenn du mir hilfst, wird sich das ändern“, wiederholte er. „Ich habe noch nicht einmal einen Weihnachtsbaum aufgestellt. Vielleicht könnte das deine erste Aufgabe werden. Emma würde es bestimmt auch gefallen, oder?“
Damit hatte er eine Saite in Shana zum Klingen gebracht. Ihr Gesichtsausdruck änderte sich, wurde weicher. Sie war nicht länger die verärgerte, stolze Frau, als die sie den Raum betreten hatte. Ihre Tochter würde einen Tannenbaum haben. Es gab ein paar Dinge, die es wert waren, seinen Stolz zu vergessen. „Ja“, sagte sie leise. „Das würde ihr gefallen.“
„Außerdem hätte sie ihr eigenes Zimmer. Im Moment teilt ihr euch doch wohl das Schlafzimmer, stimmt’s? Also, was hältst du davon?“
Ein langes Schweigen entstand. Schließlich sagte sie: „Ich muss darüber nachdenken.“
Verblüfft sah er sie an. Dabei war er sich seiner Sache doch so sicher gewesen …
„Wie lange brauchst du dafür?“, wollte er wissen. Hatte sie überhaupt eine Wahl? Eine preiswerte Wohnung zu finden war fast unmöglich. Warum zögerte sie noch?
Sie stand auf. „Ich komme heute Abend bei dir vorbei – wenn du zu Hause sein solltest.“
„Jederzeit nach sieben Uhr.“ Er folgte ihr zu Tür und öffnete sie.
Ohne ein weiteres Wort stapfte sie aus dem Haus. Nicht einmal von Julia verabschiedete sie sich.
Nachdenklich klopfte Kincaid an Julias Tür.
Sie winkte ihn herein. „Alles klar?“
„Sie denkt darüber nach.“
Julia zog die Augenbrauen hoch. Dann lächelte sie. „Ich habe ihre Tatkraft immer bewundert.“
„Was Sie Tatkraft nennen, nenne ich Dickköpfigkeit.“
„Ich habe schon vermutet, dass da zwei eigenwillige Charaktere aufeinanderprallen.“
„Das kann man wohl sagen. Ich weiß nicht, woran es liegt, aber bei ihr war es Abneigung auf den ersten Blick.“
„Warum wollten Sie dann ausgerechnet sie haben? Und auch noch in Ihrem Haus?“
Ja, warum eigentlich? Zunächst einmal hatte er Dixie einen Gefallen erweisen wollen. Außerdem sollte Dylan eine eigene Wohnung bekommen. Nicht zuletzt hatte er auch Verständnis für Shanas Situation.
„Ich denke, sie wird bald für sich allein sorgen können, aber fürs Erste braucht sie jemanden, der sie unterstützt. Ich habe die Möglichkeit dazu.“ Zum Abschied schüttelte er Julia die Hand. „Ich rufe Sie an, wenn sie sich entschieden hat.“
„Gern.“
Er nahm die Treppe zur Tiefgarage. Es hatte zu regnen begonnen. Shana würde über rutschige Straßen zu der kleinen Stadt am Fuß einer Hügelkette fahren müssen und sicherlich länger brauchen als die Stunde, die die Fahrt normalerweise dauerte. Ihr Wagen war die reinste Schrottkiste. Hoffentlich überstand er den Trip. Kincaid verdrängte den Gedanken an das, was ihr möglicherweise zustoßen konnte, setzte sich ins Auto und fuhr los. Vielleicht holte er sie auf der Strecke ein.
Tatsächlich kam ihr Wagen nach einer Viertelstunde in Sicht. Kincaid fluchte leise, als er sah, dass sie sich strikt an das Tempolimit hielt. Auf dieser Strecke war das überhaupt nicht nötig. Es war nicht das Einzige, was ihn irritierte.
Von Anfang an waren sie sich nicht grün gewesen. Dennoch bewunderte er sie dafür, wie verbissen sie darum kämpfte, auf eigenen Füßen zu stehen. Und Menschen, die sich aufrichtig bemühten, musste man helfen. Das hatte er sich fest vorgenommen, nachdem er selbst in dieser Situation gewesen war und andere ihm geholfen hatten.
Er war gespannt, wie sich ihre Beziehung entwickeln würde.
Diese rein geschäftliche Beziehung , wie er sich immer wieder einredete.
Eisern hielt Shana sich an die Geschwindigkeitsbegrenzung. Alle paar Sekunden schaute sie in den Rückspiegel in der Hoffnung, dass Kincaid sie endlich überholen und in Ruhe lassen würde. Sie musste über viele Dinge nachdenken. Dass er an ihrer Stoßstange klebte, irritierte sie kolossal.
Wenn er sich als Boss ebenso verhielt, würde sie den Job ablehnen. Sie brauchte keinen Aufseher, um ihre Arbeit zu erledigen.
An der Ausfahrt zu Chance City lagen ihre Nerven blank. Kurz entschlossen fuhr sie an den Straßenrand
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