Ein bretonisches Erbe
ihm. „Du scheinst zu ahnen, dass du eigentlich gar nicht hier rauf darfst.“
Emory war eher ein dickköpfiger und kein besonders intelligenter Hund und was ihm nicht gefiel, pflegte er sowieso sehr gerne zu vergessen Zu Hause war das Obergeschoss ihres Elternhauses jedenfalls hundefreie Zone und ihre Mutter vertrat die Ansicht, dass Kontinuität in der Hundeerziehung das A&O sei. Schlafzonen wären mithin auch in An Triskell für Emo tabu.
„Aber es ist dein Haus“, meinte Monika Lindberg jedoch, „du kannst es natürlich so halten, wie du es möchtest.“
Yuna lächelte bei dem Gedanken an die Auseinandersetzungen, die es darum zu Hause gegeben hatte, denn sie hätte in manchen einsamen Nächten den Hund sehr gerne vor ihrem Bett liegen gehabt. Nun überlegte sie in der Tat, ob sie ihm in An Triskell jetzt, wo das Haus ihr gehörte, nicht einfach den Zutritt erlauben sollte. Es würde ihn sicherlich freuen und sie hatte einen treuen Beschützer in ihrem Zimmer.
Aber in dem Moment als sie das dachte, fragte sie sich sogleich auch, warum ihr an einem Beschützer liegen sollte. Den würde sie hier doch gar nicht nötig haben und wenn, dann gab es da sicherlich noch einen anderen Anwärter… der zwar nicht vor ihrem Bett, aber vielleicht mal darin liegen würde. Ach, Julien, dachte sie mit einem sehnsüchtigen Seufzer und konnte es schon jetzt nicht mehr erwarten ihn wiederzusehen.
„Warte es ab, Emo“, vertröstete sie den Hund also. „Ich überlege mir die Sache mal.“ Und dabei wusste sie im Grunde schon, dass seine Chancen nicht allzu gut standen. Er ahnte es wohl selber auch, Tiere haben ja manchmal so ein feines Sensorium, denn er legte sich freiwillig auf eine Treppenstufe, dahin, wo die Treppe sich wendelte und besonders breit war.
Kluger Hund, dachte Yuna, da kannst du bleiben.
Als Yuna ihr Zimmer im Obergeschoß betrat, da war ihr, als hätte sie es erst gestern verlassen.
Ihr Großvater hatte überhaupt nichts verändert und selbst die kleine Skizze, die sie halbfertig zurückgelassen hatte, lag noch auf dem antiken Schreibtisch, der vor dem Fenster stand Sie setzte sich auf den davor stehenden, hübschen Holzstuhl und blickte hinaus auf das Meer.
Ein paar Segelboote kreuzten in der Bucht und in der Ferne erkannte sie die Felsnase des Kaps und den Leuchtturm. An den Klippen unterhalb des Hauses brachen sich mit weißer, schäumender Gischt die Wellen. Und als sie das zweiflügelige Sprossenfenster öffnete, drang das starke Brausen der Brandung bis zu ihr herauf. Noch war Flut, aber bald würde das Wasser zurückweichen und die Ebbe den ohnehin breiten Strand noch breiter machen und es erlauben, zwischen den Felsen zu wandern, die sonst vom Wasser eingeschlossen oder überspült waren, und die eine ständige, nicht zu unterschätzende Gefahr für die Küstenschifffahrt darstellten.
Sie öffnete nun auch die Flügeltür des kleinen Balkons, der direkt über den Klippen hing und welcher die besondere Attraktion dieses Zimmers war. Da hatte sie oft gestanden, sich wie die kindliche Kaiserin in ihrem Turm gefühlt, die auf den Helden wartete, der ihr half das zauberhafte Land Fantasien vor dem Untergang zu retten.
Sie atmete in vollen Zügen die frische Meeresluft ein, die mit dem Geruch von Algen und Tang gesättigt war. Dann deckte sie den Quilt von ihrem Bett ab und legte Oberbett und Kopfkissen zum Auslüften in die Fensterbank.
Ihre Mutter rief sie zum Tee und so lief sie, umsprungen vom Hund, schnell wieder nach unten.
Monika Lindberg hatte im Wintergarten aufgedeckt, der auf der Westseite an das alte Haus aus dem 19.Jahrhundert angebaut worden war. Von ihm hatte man einen faszinierenden Blick über die Bucht bis zu den Orten zwischen den Steilküsten am westlichen Ufer.
Yuna erinnerte sich, dass man von hier immer besonders gut das Feuerwerk zum französischen Nationalfeiertag am vierzehnten Juli beobachten konnte, welches dort in allen drei Orten stets mit äußerster Pracht abgefeuert wurde, weil man sich wohl gegenseitig mit seiner Brillanz übertrumpfen wollte. Die Gewinner waren eindeutig die Zuschauer am anderen Ufer, für die es ein herrliches Spektakel war, das Kinder und Erwachsene stets begeistert genossen.
Yunas Mutter goss den duftenden Vanilletee, den sie extra von zu Hause mitgebracht hatte, in die blauen, handgetöpferten bretonischen Keramiktassen. Yuna nahm ihre in die immer noch kalten Hände und ließ den warmen Dampf in ihre Nase aufsteigen. Hm, was für ein
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