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Ein bretonisches Erbe

Ein bretonisches Erbe

Titel: Ein bretonisches Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Valerie Menton
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Großvater eben noch darin gelesen und es vermittelte das Gefühl, als könnte er jeden Moment hereinkommen, um seine Lektüre fortzusetzen. Der Umschlag war aus feinem, hellen Leder und trug weder Bild noch Titel. Nur der Buchrücken war mit Prägedruck verziert und in einem dunkelbraunen Feld stand in goldenen Buchstaben: Pierre Loti: Islandfischer .
    Sie nahm das Buch auf und las in den aufgeschlagenen Seiten.
    Aber dieser Morgen musste wohl etwas Besonderes an sich haben, da Gaud zum ersten Mal hierher kam, um… die Namen der jungen Toten auf den Gedenktafeln zu lesen… im Meer verloren… bei dem Orkan vom 4. zum 5. August 1880… In der Ferne das Meer. An diesem Morgen verschwamm es in dem grauen Nebel, und am Horizont schwebte eine langgestreckte dunkle Wolke, die einem schwarzen Trauerflor glich. Ein erneuter Windstoß… ein noch stärkerer… als ob jener Westwind, der einst jene Toten ins Meer hinausgestreut, jetzt sogar noch die Inschriften vernichten wollte, die ihr Gedächtnis bei den Lebenden wach hielten…
    Im letzten Satz waren einige Wörter rot unterstrichen. Zusammen gelesen ergaben sie einen neuen Satz: Die Inschriften, die ihr Gedächtnis wach hielten ! Wie merkwürdig, fand Yuna und sie fragte sich, welche Inschriften von ihrem Großvater wohl gemeint waren?
    Sie ließ das Buch sinken und schaute einen Moment zum Fenster hinaus. Das Meer lag blau und ruhig unter dem strahlenden Himmel. Kaum zu glauben, dass es auch diese andere Seite hatte, die es zum wilden Tier werden ließ, das erbarmungslos seine Beute in die schwarze Tiefe riss.
    War es Zufall oder gab es einen Grund, warum ihr Großvater gerade diese Stelle aufgeschlagen und unterstrichen zurückließ. Wollte er ihr damit etwas sagen? Aber was? Sie nahm das Buch erneut auf und begann darin zu blättern.
    Dabei entdeckte sie, dass es eigentlich eine Liebesgeschichte zwischen der jungen Reederstochter Gaud und dem bretonischen Fischer Grand Yann war. Zwar stammte es aus dem neunzehnten Jahrhundert und die Sprache war entsprechend umständlich und blumig, aber weil es in der Bretagne spielte, weckte es dennoch ihr Interesse. Und da sie abends im Bett immer gerne noch ein wenig las, beschloss sie, das schmale Buch zu ihrer Bettlektüre zu machen. Zudem konnte etwas, was ihr Großvater gelesen und mit Anmerkungen versehen hatte, eigentlich nicht schlecht sein. Auch war es so dünn, dass sie es sicherlich schaffen würde, es bis zu ihrer Abreise auszulesen. Also schloss sie ihre Arbeit ab und nahm es mit hinauf in ihr Zimmer.

    Monika Lindberg hatte ihren Putzanfall inzwischen auch überwunden und schien angesichts des herrlichen Sommertages ihre Pläne geändert zu haben. Als Yuna nämlich wieder in die Küche kam, hatte ihre Mutter sich bereits zum Marktbummel angezogen und den Einkaufkorb bereit gestellt.
    „Schnell, zieh dich um, putzen können wir auch noch wenn es regnet“, sagte sie unternehmungslustig und fügte mit einem Blick auf die Uhr hinzu. „Wir kommen sonst zu spät zum Markt.“
    Da Yuna diese Worte aus der Seele gesprochen waren, sputete sie sich und schon bald wanderten die beiden Frauen beschwingt zwischen dem gelb blühenden Ginster den Klippenweg hinunter ins Dorf.
    Unterwegs fragte Yuna ihre Mutter erst nach dem Bild ihres Großvaters, das ihn als Wehrmachtssoldaten im Zweiten Weltkrieg zeigte, und dann nach dem Buch, welches sie auf seinem Schreibtisch gefunden hatte.
    Zu dem Foto konnte Monika Lindberg nicht viel sagen.
    „Er hat nie darüber sprechen wollen. Es stimmt, er war als Soldat hier stationiert, aber nicht lange, glaube ich…
    Yuna lachte. „Aber wohl lange genug, um seine erste Frau kennenzulernen!“
    Ihre Mutter schmunzelte. „Ja, da hast du recht. Henriette war als Krankenschwester in Saint Brieuc stationiert und die beiden haben sich hier in einander verliebt und dann auch gleich geheiratet. Aber mehr war über diese Zeit auch wirklich nicht aus ihm herauszulocken. Du weißt doch, wie sehr mich alte Familiengeschichten interessieren, aber bei ihm habe ich da auf Granit gebissen.“
    „Rosa Granit“, sagte Yuna grinsend in Anspielung auf den Stein der Gegend, aus dem ihr Großvater seine schönsten Skulpturen geschaffen hatte.
    Monika Lindberg lachte. „Ja, vermutlich. Er war da genauso hart wie die Felsen an der Cote du Granit Rose .“
    Zum Buch hatte sie allerdings mehr zu erzählen.
    „Ach, diese romantische Geschichte von den Islandfischern“, sagte sie. „Die habe ich vor einigen

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